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BFH: Kein Zufluss von Darlehenszinsen bei Prolongation vor Fälligkeit

Vereinbart ein beherrschender Gesellschafter mit seiner Gesellschaft, dass sei­ne Zinsansprüche aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen später fällig werden sollen (Prolongation), führt die Vereinbarung nicht zum Zufluss der Zinsen beim beherrschenden Gesellschafter, wenn sie vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit der Zinsen zustande gekommen ist. Das gilt unabhän­gig davon, ob die Prolongation fremdüblich ist.

EStG § 11, § 20 Abs. 1 Nr. 7

BFH-Urteil vom 17.09.2025 ‑ VIII R 30/23 (veröffentlicht am 4.12.2025)

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 24.02.2022 - 6 K 720/21 = SIS DAAAJ-41633

I. Streitig ist der Zufluss von Darlehenszinsen.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden für das Jahr 2017 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger war im Streitjahr zu 80 % an einer Kapitalgesellschaft spanischen Rechts (Gesellschaft) beteiligt. Die übrigen Anteile hielten seine beiden Kinder jeweils zur Hälfte. Die Klägerin war Geschäftsführerin der Gesellschaft.

Mit Vertrag vom 31.12.2007 hatte der Kläger der Gesellschaft ein Darlehen in Höhe von … € zu einem anfänglichen Zinssatz von … % per annum gewährt. Die Zinsen waren bei Fälligkeit des Darlehens zahlbar. Das Darlehen hatte eine Laufzeit von zehn Jahren und war am 30.12.2017 zurück­zuzahlen.

Mit notariellem Vertrag vom 14.06.2011 verzichtete der Kläger auf die Darle­hensrückzahlungsforderung gegenüber der Gesellschaft und leistete eine Ein­lage in die Gesellschaft. Gleichzeitig wurde das Stammkapital der Gesellschaft um … € erhöht. Der Anspruch des Klägers auf Darlehensrückzahlung (Rest-Valuta: … €) galt durch die Umwandlung in Eigenkapital als getilgt (Debt-Equity-Swap).

In den Jahren 2011 bis 2014 wies die Gesellschaft die Darlehensverbindlichkeit mit 0 € und Zinsverbindlichkeiten gegenüber dem Kläger jeweils unverändert in Höhe von … € aus.

Am 14.11.2017 schlossen der Kläger und die Gesellschaft folgende Vereinba­rung:

"Verlängerung des zwischen der Fa. A, Avenida X, Z und Herrn B, Y‑Straße, V abgeschlossenen Darlehens­vertrages vom 31.12.2007

Zwischen der Fa. A (Darlehensnehmerin) und Herrn B (Darlehensgeber) wurde am 31.12.2007 ein Darle­hensvertrag über … € geschlossen. Das Darlehen war am 31.12.2017 zur Rückzahlung fällig. Die Zinsen (Anfangszins … %, dann der am letzten Tag eines Jahres veröffentlichte Euribor) sind bei Fälligkeit des Darlehens zahlbar.

Da die Darlehensnehmerin noch nicht in der Lage ist, das Darlehen zum 31.12.2017 zurückzuzahlen und auch die Zinsen nicht beglei­chen kann, verlängern die Vertragsparteien das vorgenannte Darle­hen zu den gleichen Konditionen um 5 Jahre, somit bis zum 31.12.2022. Das Gleiche gilt für die aufgelaufenen Zinsen, die ebenfalls zum 31.12.2022 mit der Hauptschuld zur Zahlung fällig sind.
Z, den 14. November 2017"

Im Streitjahr wurden die Zinsen nicht an den Kläger ausgezahlt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) ging aufgrund der Ver­einbarung vom 14.11.2017 davon aus, dass dem Kläger Zinsen in Höhe von … € am 30.12.2017 zugeflossen seien. Das FA erließ am 17.09.2020 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung geänderten Einkommensteuer­bescheid, in dem es ‑‑der tariflichen Einkommensteuer unterliegende‑‑ Ein­künfte aus Kapitalvermögen in dieser Höhe erfasste. Im Verlauf des Ein­spruchsverfahrens ergingen aus Gründen, die den Rechtsstreit nicht betreffen, mehrere Änderungsbescheide, zuletzt am 30.04.2021. Das Einspruchsverfah­ren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 17.05.2021). Das Finanzge­richt (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht in Gestalt von § 11 Abs. 1 sowie von § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) sowie Verfahrensmängel.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG Nürnberg vom 24.02.2022 ‑ 6 K 720/21 aufzuheben und den Einkom­mensteuerbescheid für 2017 vom 23.04.2021 in Gestalt der Einspruchsent­scheidung vom 17.05.2021 dahingehend zu ändern, dass der Ansatz der tarif­lich zu besteuernden Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von … € unterbleibt.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündli­chen Verhandlung verzichtet.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

1. Das FG hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger seien die Darlehenszinsen aufgrund des Vertrags vom 14.11.2017 zu­geflossen. Mit dem Abschluss der Vereinbarung habe der Kläger über den Zinsanspruch verfügt (Novation). Zwar sei dem Wortlaut nach ein Hinausschie­ben der Fälligkeit des Zinsanspruchs gewollt gewesen. Das sei aber zivilrecht­lich nicht möglich, nachdem der Anspruch auf Darlehensrückzahlung bereits im Jahr 2011 entfallen sei. Die Vereinbarung vom 14.06.2011 hat das FG dahin­gehend gewürdigt, dass die Beteiligten den Darlehensvertrag in Bezug auf den nicht erfüllten Zinsanspruch bestehen lassen wollten. Dementsprechend habe die Gesellschaft ihre Verbindlichkeit weiterhin als Zinsen behandelt und keinen anderen Rechtsgrund angenommen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das FG hat den Zufluss der Zinsen beim Kläger im Streitjahr zu Unrecht bejaht.

a) Einnahmen aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehen­den Güter erlangt hat. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gut­geschrieben werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15.11.2022 ‑ VIII R 18/20, BFHE 278, 510, BStBl II 2023, 961; vom 22.07.1997 ‑ VIII R 13/96, BFHE 184, 46, BStBl II 1997, 767). Das Innehaben von (fälligen) Ansprüchen oder Rechten führt nach ständiger Rechtsprechung dagegen noch nicht zum Zufluss von Kapitaleinkünften, da dieser grundsätz­lich erst mit der Erfüllung des Anspruchs eintritt (vgl. BFH-Urteile vom 20.10.2015 ‑ VIII R 40/13, BFHE 252, 260, BStBl II 2016, 342; vom 21.11.1989 ‑ IX R 170/85, BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310).

b) Der Zufluss kann auch durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag "fortan aus ei­nem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll". In einer solchen Schuldum­wandlung (Novation) kann, wenn sie im überwiegenden Interesse des Gläubi­gers liegt, eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung lie­gen, die aus einkommensteuerrechtlicher Sicht so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch Zahlung beglichen und der Gläubiger den vereinnahmten Be­trag in Erfüllung des neu geschaffenen Schuldgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte. Die Novation stellt sich dann als eine blo­ße Abkürzung des Leistungswegs dar (vgl. BFH-Urteile vom 16.09.2014 ‑ VIII R 15/13, BFHE 247, 220, BStBl II 2015, 468, Rz 19, 28, 29; vom 28.10.2008 ‑ VIII R 36/04, BFHE 223, 166, BStBl II 2009, 190, m.w.N.).

Voraussetzung für den Zufluss aufgrund einer Novation ist das Vorliegen einer zivilrechtlich wirksamen Schuldumwandlung. Ein solcher Vertrag setzt den übereinstimmenden Willen der Parteien voraus, das alte Schuldverhältnis durch ein neues (anderes) ersetzen und damit zugleich das alte Schuldverhält­nis aufheben zu wollen, sodass die Beteiligten nicht mehr darauf zurückgreifen können (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 10.04.2025 ‑ IX ZR 95/24, Monatsschrift für Deutsches Recht ‑‑MDR‑‑ 2025, 1024, Rz 12). Davon abzugrenzen ist das einvernehmliche Hinausschieben der Fälligkeit des Zinsanspruchs. Eine Vertragsänderung dieses Inhalts bewirkt steuerlich ledig­lich eine Stundung und rechtfertigt nicht die Annahme einer den Zufluss be­gründenden Verfügung des Gläubigers über die Kapitalerträge (vgl. BFH-Urtei­le vom 20.10.2015 ‑ VIII R 40/13, BFHE 252, 260, BStBl II 2016, 342, Rz 39; vom 16.09.2014 ‑ VIII R 15/13, BFHE 247, 220, BStBl II 2015, 468; vom 11.11.2009 ‑ IX R 1/09, BFHE 227, 93, BStBl II 2010, 746). Ob zivilrechtlich eine Novation oder lediglich eine Prolongation des Darlehensvertrags vorliegt, ist im Zweifel durch Auslegung zu bestimmen (vgl. BGH-Urteil vom 16.07.2019 ‑ XI ZR 426/18, MDR 2020, 47, Rz 20).

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann das angefochtene Urteil keinen Be­stand haben. Das FG hat nicht im Wege der Auslegung nachvollziehbar darge­legt, weshalb die Parteien des Vertrags vom 14.11.2017 trotz des eindeutig für eine Prolongation sprechenden Wortlauts in Wirklichkeit eine Schuldumschaf­fung des Zinsanspruchs gewollt haben. Es hat sich dafür in tragender Weise auf den Rechtssatz gestützt, dass ein nach dem Erlöschen der Darlehensrück­zahlungsschuld stehen gebliebener Zinsanspruch nicht zivilrechtlich wirksam prolongiert werden könne. Das trifft indes nicht zu. Ein Rechtssatz, dass die Prolongation eines Darlehensvertrags nicht möglich ist, wenn die Darlehens­rückzahlungspflicht bereits erloschen ist, ist der Rechtsprechung der Zivilge­richte und auch der Zivilrechtsliteratur nicht zu entnehmen. Da die Verpflich­tung zur Zinszahlung zu den Hauptpflichten des Darlehensvertrags gehört, ist ein Darlehensvertrag nicht insgesamt erfüllt, wenn zwar das Darlehen zurück­gezahlt oder wenn die Darlehensrückzahlungsschuld auf andere Weise erfüllt ist, die Zinsen aber noch nicht gezahlt sind. Ist hinsichtlich der Zinsen verein­bart, dass diese am Ende der Laufzeit des Darlehens fällig werden sollen und wird die Rückzahlung des Darlehens vor Fälligkeit bewirkt, bleibt der Darle­hensvertrag bis zur Fälligkeit der Zinsen bestehen. Die Zinsen werden solange nicht fällig; die Fälligkeitsvereinbarung bezieht sich dann nur noch auf den Zinsanspruch. Davon ist zu Recht auch das FG ausgegangen. Weshalb das FG auf dieser Grundlage annimmt, die Vertragspartner könnten den fortbestehen­den Darlehensvertrag nicht einvernehmlich wirksam ändern, erschließt sich nicht. Es bestehen insbesondere keine zivilrechtlichen Bedenken gegen eine Prolongation der Fälligkeit des entstandenen Zinsanspruchs. Der Senat geht dabei mit den Beteiligten und dem FG davon aus, dass auf den Darle­hens­vertrag und die anderen Vereinbarungen deutsches Recht anzuwenden ist (§ 155 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung, vgl. BFH-Beschluss vom 11.03.2025 ‑ VIII B 5/24, BFH/NV 2025, 530, Rz 18).

d) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat rechtsfeh­lerhaft angenommen, dass die isolierte Zinsschuld nicht habe prolongiert wer­den können. Auch seine weitere Annahme, dass die Vereinbarung vom 14.11.2017 deshalb als (zuflussbegründende) Novation ausgelegt werden müsse, ist rechtsfehlerhaft (dazu II.3.a).

3. Der Senat kann auf Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden. Hiernach sind dem Kläger die Darlehenszinsen in Höhe von … € nicht im Streitjahr zugeflossen. Der Klage ist wie bean­tragt stattzugeben.

a) Die Vereinbarung vom 14.11.2017 ist keine zum Zufluss der Zinsen führen­de Novation. Weder aus der Vereinbarung selbst noch aus den Umständen ihres Zustandekommens ergeben sich Anhaltspunkte, dass anstelle der ein­deutig vereinbarten Prolongation des Zinsanspruchs vor Eintritt der Fälligkeit eine Schuldumschaffung gewollt gewesen sein könnte. Die Vereinbarung vom 14.11.2017 hatte nach den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG lediglich den Sinn, dass der geschuldete Zinsbetrag län­ger als ursprünglich vereinbart bei der Gesellschaft verbleiben sollte, weil die­se in wirtschaftlichen Schwierigkeiten war. Sie diente damit allein dazu, die Fälligkeit des Zinsanspruchs vor Eintritt des zunächst vereinbarten Fälligkeits­termins zu prolongieren. Es sollten auch weiterhin Darlehenszinsen geschuldet werden. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Verpflichtung der Gesell­schaft zur Rückzahlung der Darlehensvaluta bereits erloschen war.

b) Die Darlehenszinsen sind dem Kläger im Streitjahr auch nicht deshalb zuge­flossen, weil er als beherrschender Gesellschafter den gegen die Gesellschaft gerichteten noch nicht fälligen Anspruch auf Zahlung der endfälligen Zinsen prolongiert hat (Zuflussfiktion).

aa) Gewinnausschüttungen fließen einem beherrschenden Gesellschafter in der Regel bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung zu, weil es der beherrschende Gesellschafter regelmäßig in der Hand hat, sich die ihm von der Gesellschaft geschuldeten Beträge (jederzeit) auszahlen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sein Gewinnauszahlungsanspruch ein­deutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesell­schaft richtet. Unter diesen Voraussetzungen kann der beherrschende Gesell­schafter im Regelfall wirtschaftlich bereits ab dem Zeitpunkt des Ausschüt­tungsbeschlusses über seinen Gewinnanteil verfügen (vgl. BFH-Urteile vom 14.02.2022 ‑ VIII R 32/19, BFHE 276, 223, BStBl II 2023, 101, Rz 14; vom 14.02.1984 ‑ VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2.a.; vom 17.11.1998 ‑ VIII R 24/98, BFHE 187, 292, BStBl II 1999, 223, unter 1.; vom 02.12.2014 ‑ VIII R 2/12, BFHE 248, 45, BStBl II 2015, 333, Rz 14 ff.). Das gilt auch für den Zufluss von Gewinnanteilen bei einem im Inland unbe­schränkt einkommensteuerpflichtigen beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 14.02.2022 ‑ VIII R 32/19, BFHE 276, 223, BStBl II 2023, 101, Rz 15).

bb) Die Rechtsprechung hat diese Grundsätze auch auf schuldrechtliche Ver­gütungen wie Darlehenszinsen (vgl. BFH-Urteile vom 14.02.1984 ‑ VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2.b; vom 08.05.2007 ‑ VIII R 13/06, BFH/NV 2007, 2249), Tantiemen und andere Ent­geltansprüche im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit er­streckt (vgl. BFH-Urteile vom 28.04.2020 ‑ VI R 44/17, BFHE 269, 7, BStBl II 2021, 392; vom 03.02.2011 ‑ VI R 4/10, BFHE 232, 501, BStBl II 2014, 493; vom 12.07.2021 ‑ VI R 3/19, BFH/NV 2022, 9). Voraussetzung war aber je­weils, dass der gegen die Gesellschaft gerichtete Anspruch fällig war. Einen Zugriff des beherrschenden Gesellschafters auf einen noch nicht fälligen An­spruch hat die Rechtsprechung dagegen nicht unterstellt.

cc) Im Streitfall fehlt es für die Annahme eines Zuflusses aufgrund der darge­legten Grundsätze an der Fälligkeit des Zinsanspruchs. Der Anspruch des Klä­gers gegen die Gesellschaft war im Streitjahr zu keinem Zeitpunkt fällig. Der Kläger und die Gesellschaft haben noch vor dem Eintritt der Fälligkeit des Zinsanspruchs dessen Fälligkeit einvernehmlich und zivilrechtlich wirksam auf den 31.12.2022 hinausgeschoben. Eine solche Vereinbarung löst auch bei ei­nem beherrschenden Gesellschafter keinen Zufluss aus.

aaa) Zwar kann nach der Rechtsprechung des Senats das Hinausschieben der Fälligkeit zur Auszahlung eines Gewinnanteils über den Stichtag des Gewinn­verwendungsbeschlusses hinaus bei einem beherrschenden Gesellschafter als Verfügung über den Gewinnanteil zu beurteilen sein. Dies steht jedoch in einem anderen rechtlichen Kontext als die vorliegend zu beurteilende Verfü­gung über einen rein schuldrechtlichen Anspruch: Der Anspruch des Gesell­schafters einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Auszahlung des Gewinns entsteht mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Feststel­lung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Gewinns. Er wird sofort fällig, wenn nicht die Satzung der Gesellschaft einen konkreten späteren Zeit­punkt für Auszahlungen regelt. Fehlen in der Satzung jegliche Regelungen oder enthält diese nur eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fällig­keitszeitpunkts durch die Gesellschafterversammlung, dann hat der beherr­schende Gesellschafter einer zahlungsfähigen Gesellschaft es in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs zu bestimmen. Er kann wirt­schaftlich bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über seinen Gewinnanteil verfügen. Unter diesen Umständen ist das Hinausschieben der Fälligkeit als Verfügung über den Gewinnanteil zu beurteilen; der Gewinnanteil fließt dem beherrschenden Gesellschafter bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu (BFH-Urteile vom 02.12.2014 ‑ VIII R 2/12, BFHE 248, 45, BStBl II 2015, 333, Rz 14, 16; vom 17.11.1998 ‑ VIII R 24/98, BFHE 187, 292, BStBl II 1999, 223, unter 1.a; zu ausländischen Gesellschaften BFH-Urteil vom 14.02.2022 ‑ VIII R 32/19, BFHE 276, 223, BStBl II 2023, 101, Rz 14).

bbb) Das Hinausschieben der Fälligkeit eines schuldrechtlichen Anspruchs des Gesellschafters gegen die Gesellschaft ‑‑wie hier des nicht fälligen Zinsan­spruchs aus dem ursprünglichen Gesellschafterdarlehen des Klägers‑‑ vor Ein­tritt des vorherigen Fälligkeitsdatums stellt sich hingegen nicht als eine zu­flussbegründende wirtschaftliche Vorausverfügung über den Anspruch dar. Grundsätzlich können Gläubiger und Schuldner einer Geldforderung im Rah­men der zivilrechtlichen Gestaltung des Erfüllungszeitpunkts auch die steuer­rechtliche Zuordnung der Erfüllung zu einem Veranlagungszeitraum gestalten, sodass es ihnen auch nicht verwehrt ist, die vorherige Vereinbarung ‑‑jeden­falls vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit‑‑ im Einvernehmen und bei­derseitigem Interesse wieder zu ändern (BFH-Urteil vom 11.11.2009 ‑ IX R 1/09, BFHE 227, 93, BStBl II 2010, 746, unter II.1. [Rz 11]). Diese Grundsätze gelten auch beim beherrschenden Gesellschafter. Vom Zufluss ist erst im Fälligkeitszeitpunkt auszugehen (für Zinsansprüche BFH-Urteile vom 14.02.1984 ‑ VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480; vom 16.11.1993 ‑ VIII R 33/92, BFHE 174, 322, BStBl II 1994, 632, unter 2.). Gründe dafür, den Zuflusszeitpunkt auf den Zeitpunkt einer Prolongationsver­einbarung vorzuverlagern, die vor Eintritt des ursprünglichen Fälligkeitszeit­punkts getroffen wird, sieht der Senat nicht.

ccc) Dies gilt für den hier betrachteten Bereich unabhängig davon, ob auch ein fremder Dritter der Prolongation unter denselben Umständen zugestimmt hät­te. Dem steht nicht entgegen, dass der VI. Senat des BFH zu Tantiemen be­herrschender Gesellschafter-Geschäftsführer entschieden hat, dass diese mit der Feststellung des Jahresabschlusses fällig werden, sofern die Vertragspar­teien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine davon abweichende Fäl­ligkeit im Anstellungsvertrag vereinbart haben (vgl. BFH-Urteil vom 05.06.2024 ‑ VI R 20/22, BFHE 284, 570, Rz 12, m.w.N.). Soweit in dieser Entscheidung eine Vereinbarung über die Fälligkeit der Tantiemen steuerlich nur dann als beachtlich angesehen wird, sofern sie fremdüblich ist, betrifft sie eine abweichende Konstellation. Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist, dass der Anspruch auf Tantiemen ‑‑wie der Gewinnanspruch‑‑ grundsätzlich mit der Feststellung des Jahresabschlusses fällig wird. Um diesen ‑‑originä­ren‑‑ Fälligkeitszeitpunkt der Tantieme abweichend davon bestimmen zu kön­nen, bedarf es einer zivilrechtlich wirksamen fremdüblichen Vereinbarung im Anstellungsvertrag (dazu näher BFH-Urteile vom 03.02.2011 ‑ VI R 66/09, BFHE 232, 497, BStBl II 2014, 491, Rz 15; vom 28.04.2020 ‑ VI R 44/17, BFHE 269, 7, BStBl II 2021, 392, Rz 25, 29, 38, 39). Dieses Erfordernis ist angelehnt an das Erfordernis einer Satzungsbestimmung bei der abweichen­den originären Bestimmung des Auszahlungsanspruchs für einen Gewinnanteil (s. o. aaa; vgl. BFH-Urteil vom 28.04.2020 ‑ VI R 44/17, BFHE 269, 7, BStBl II 2021, 392, Rz 39). Eine vergleichbare Ausgangslage liegt bei der Pro­longation der Fälligkeit eines noch nicht fälligen anderen schuldrechtlichen An­spruchs nicht vor.

c) Die Darlehenszinsen sind dem Kläger im Streitjahr auch nicht nach den Grundsätzen zum fiktiven Zufluss aufgrund einer verdeckten Einlage des Klä­gers in die Gesellschaft zugeflossen.

aa) Die Rechtsprechung hat den Zufluss von Forderungen in Fällen angenom­men, in denen der Gesellschafter auf einen (fälligen) Anspruch gegen die Ge­sellschaft verzichtet, soweit er durch den Verzicht eine verdeckte Einlage in die Gesellschaft leistet (vgl. BFH-Urteil vom 05.06.2024 ‑ VI R 20/22, BFHE 284, 570, Rz 13 ff., m.w.N.; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 09.06.1997 ‑ GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307, m.w.N.).

bb) Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Kapitalgesellschaft einen einlagefähigen Vermögens­vorteil gegenleistungslos oder verbilligt zuwendet und dies durch das Gesell­schaftsverhältnis veranlasst ist (vgl. BFH-Urteile vom 18.12.1990 ‑ VIII R 17/85, BFHE 163, 352, BStBl II 1991, 512; vom 15.10.1997 ‑ I R 80/96, BFH/NV 1998, 624). Als verdeckte Einlagen sind nur Wirtschaftsgü­ter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehrt haben, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens (vgl. BFH-Urteil vom 05.06.2024 ‑ VI R 20/22, BFHE 284, 570, Rz 15, m.w.N.).

cc) Nach den bindenden Feststellungen und Schlussfolgerungen des FG war die Prolongation der Zinsfälligkeit zwar nicht fremdüblich, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Die unentgeltliche Zinsprolongation ist aber, wie auch der von einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gewähr­te Vorteil, ein Darlehen zinslos nutzen zu können, steuerrechtlich kein einlage­fähiges Wirtschaftsgut (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.1988 ‑ I R 25/82, BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248, unter II.5. unter Verweis auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26.10.1987 ‑ GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348; BFH-Urteil vom 10.04.1990 ‑ VIII R 289/84, BFHE 160, 497, BStBl II 1990, 741). Mangels einer Einlage ist deshalb auch nicht davon auszugehen, dass dem Kläger (zuvor) etwas von der Gesellschaft zugeflossen ist.

dd) Auch aus dem BFH-Urteil vom 05.10.2004 ‑ VIII R 9/03 (BFH/NV 2005, 526; ebenso BFH-Beschluss vom 20.12.2011 ‑ VIII B 46/11, BFH/NV 2012, 597, Rz 2) ergibt sich nichts anderes. Soweit der Senat dort ausgeführt hat, dass der vorübergehende Verzicht des Gesellschafters auf die Geltendmachung seiner Forderung ein Fall der Gesellschafterfinanzierung (Gewährung eines zinslosen Darlehens, Einlage eines Kapitalnutzungsrechts) ist und diese den Zufluss des der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Betrags voraussetzt, be­traf diese Entscheidung ‑‑anders als im Streitfall‑‑ einen Anspruch des Gesell­schafters gegen die Gesellschaft, dessen Inhalt und Fälligkeit zunächst (be­wusst) nicht klar und eindeutig vereinbart worden waren. Ob der Senat an die­ser Rechtsprechung, insbesondere der Annahme der Einlage eines Kapitalnut­zungsrechts statt eines nicht einlagefähigen Nutzungsvorteils (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26.10.1987 ‑ GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, unter C.I.1.a), künftig festhalten will, bedarf hier keiner Entschei­dung. Denn der im Fall des BFH-Urteils vom 05.10.2004 ‑ VIII R 9/03 (BFH/NV 2005, 526) zu beurteilende Sachverhalt ist dem Streitfall nicht ver­gleichbar. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind nicht auf sämtliche Maß­nahmen des Gesellschafters, die Stundungscharakter haben, anzuwenden.

4. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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