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BFH: Entstrickung durch Überführung von Wirtschaftsgütern in ausländische Betriebsstätte – verfassungsrechtliches Vertrauensschutzgebot bei rückwirkenden Gesetzen

  1. Wird ein bisher einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnendes Wirt­schaftsgut in eine ausländische Betriebsstätte überführt, löst dies gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Jahressteuer­gesetzes 2010 (JStG 2010) die Rechtsfolgen der Entnahmefiktion des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG aus.
  2. Die durch § 52 Abs. 8b Satz 2 Variante 1 i.V.m. Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 angeordnete ("echte") Rückwirkung des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG i.d.F. des JStG 2010 für vor dem 01.01.2006 endende Wirtschaftsjahre verstößt für den Fall der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländi­sche Betriebsstätte, deren Einkünfte nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in der Bundesrepublik Deutschland von der Besteue­rung freigestellt sind, nicht gegen das verfassungsrechtliche Vertrauens­schutzgebot.
  3. Die nach Maßgabe der Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze der Finanz­verwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076) praktizierte Entstrickungsbesteuerung durch Auflösung der zum Überführungszeitpunkt in dem Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reser­ven bei gleichzeitiger Neutralisierung durch Bildung eines Merkpostens, der in gleichen Jahresraten über einen Zeitraum von zehn Jahren gewinnerhöhend aufgelöst wird, verstößt nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfrei­heit (Anschluss an Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Verder LabTec vom 21.05.2015 ‑ C‑657/13, EU:C:2015:331 = SIS 15 13 24).

EStG (i.d.F. des SEStEG/JStG 2010) § 4 Abs. 1 Satz 2 bis 4, § 52 Abs. 8b Satz 2 und 3
GG Art. 20 Abs. 3
EGV Art. 43
AEUV Art. 49

BFH-Urteil vom 26.3.2025, I R 5/24 (I R 99/15) (veröffentlicht am 31.7.2025)

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 19.11.2015, 8 K 3664/11 F = SIS 16 03 52

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.) und die Rechtsvor­gängerin der Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. (Klägerin zu 2.) sind jeweils Gesellschaften in der Rechtsform der Besloten Vennootschap (B.V.) mit Sitz im Königreich der Niederlande (Niederlande). Sie waren im Jahr 2005 (Streitjahr) zu jeweils 50 % als Kommanditistinnen an der inländischen … GmbH & Co. KG (V‑KG) beteiligt, der ursprünglichen Klägerin in diesem Ver­fahren. Mit gleichen Beteiligungsquoten waren die Klägerin zu 1. und die Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 2. (B‑BV) zugleich Kommanditistinnen der … GmbH & Co. KG (C‑KG).

Mit Vertrag vom 25.05.2005 entnahmen die Klägerin zu 1. und die B‑BV sämt­liche Patent‑, Marken‑, und Gebrauchsmusterrechte einschließlich ‑‑aber nicht auf diese beschränkt‑‑ der Rechte am geistigen Eigentum aus der C‑KG und legten die Rechte am geistigen Eigentum gegen Teil-Barzahlungen in die V‑KG ein.

Die V‑KG mietete ab Juni 2005 Räumlichkeiten in X (Niederlande) an. Unter der dortigen Adresse wurde am 21.10.2005 in dem niederländischen Handelsregister die Gründung einer Betriebsstätte der V‑KG eingetragen. Als Tag der Gründung ist der 26.05.2005 angegeben.

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) davon aus, die Überführung der Rechte am geistigen Ei­gentum in die Niederlande stelle eine Entnahme dar, die zur Aufdeckung der stillen Reserven bei der V‑KG geführt habe. Der zwischen den Beteiligten ‑‑auf der Grundlage des Fremdvergleichswerts im Zeitpunkt der Überführung‑‑ übereinstimmend ermittelte Wert der stillen Reserven von … € sei nach Maßgabe der Grundsätze der Finanzverwaltung für die Prüfung der Auf­teilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ‑‑BMF‑‑ vom 24.12.1999 ‑‑Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze‑‑, BStBl I 1999, 1076, Tz. 2.6.1) aus Billigkeitsgründen durch einen Merkposten in gleicher Höhe zu neutralisieren; dieser Merkposten sei sodann in gleichen Jahresraten über einen Zeitraum von zehn Jahren gewinnerhöhend aufzulösen. Unter dem 17.08.2009 erließ das FA einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid für die V‑KG für 2005.

In dem anschließenden Klageverfahren hat das Finanzgericht (FG) Düsseldorf mit Beschluss vom 05.12.2013 ‑ 8 K 3664/11 F (Entscheidungen der Finanz­gerichte ‑‑EFG‑‑ 2014, 119) ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichts­hof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet, über das der EuGH mit Urteil Verder LabTec vom 21.05.2015 ‑ C‑657/13 (EU:C:2015:331, Internationales Steuerrecht 2015, 440) entschieden hat. Mit seinem Urteil vom 19.11.2015 ‑ 8 K 3664/11 F (EFG 2016, 209) hat das FG sodann die Klage als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wendete sich die V‑KG mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

Der erkennende Senat hat das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 14.06.2017 ‑ I R 95/15 bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über das Normenkontrollersuchen des Senats vom 10.04.2013 ‑ I R 80/12 (BFHE 241, 483, BStBl II 2013, 1004) ausgesetzt. Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 28.11.2023 ‑ 2 BvL 8/13 (BVerfGE 168, 1) über das Normenkontrollersuchen entschieden hat, ist das Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen I R 5/24 (I R 99/15) fortgesetzt worden.

Mit Wirkung zum 30.11.2023 ist die V‑KG als Rechtsträgerin erloschen (Vollbe­endigung). Das Verfahren wird von den Klägerinnen fortgeführt.

Die Klägerinnen beantragen, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentschei­dung vom 19.09.2011 sowie den Feststellungsbescheid des FA vom 17.08.2009 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist im Ergebnis begründet; sie führt zur Aufhebung des angefoch­tenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhand­lung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzge­richtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zwar zu Recht dahin erkannt, dass die Überführung der Rechte am geistigen Eigentum in die niederländische Be­triebsstätte nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) bei der V‑KG zu einer gewinnerhöhenden Entnahme geführt hat. Auch kommt eine Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht in Betracht, weil der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der in § 52 Abs. 8b EStG i.d.F. des Jahressteu­ergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) angeordneten Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG für Wirtschaftsjahre, die vor dem 01.01.2006 enden, überzeugt ist. Zudem ver­stößt § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 in der Konstellation des Streitfalls weder gegen die unionsrechtlich garantierte Nie­derlassungsfreiheit noch gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 2 des für das Streitjahr anwendbaren Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppel­besteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermö­gen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16.06.1959 (BGBl II 1960, 1782, BStBl I 1960, 382) in der zuletzt durch das Zusatzprotokoll vom 04.06.2004 (BGBl II 2004, 1655, BStBl I 2005, 365) geänderten Fassung (DBA-Niederlande 1959/2004). Jedoch ist das FG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Entnahme mit dem Fremdvergleichswert anzusetzen sei.

1. Nach dem Erlöschen der V‑KG zum 30.11.2023 sind die Klägerinnen als im Streitjahr an der V‑KG beteiligte Gesellschafterin (Klägerin zu 1.) und als Rechtsnachfolgerin einer seinerzeit an der V‑KG beteiligten Gesellschafterin (Klägerin zu 2.) befugt, den Rechtsstreit auf der Aktivseite fortzuführen. Pro­zessuale Rechtsnachfolger einer während des Klageverfahrens vollbeendeten Personengesellschaft sind die durch den angefochtenen Gewinnfeststellungs­bescheid beschwerten Gesellschafter, die im Streitzeitraum an der Gesellschaft beteiligt waren ‑‑oder deren Rechtsnachfolger‑‑, soweit sie jeweils hinsichtlich der Feststellungen in ihren eigenen Rechten betroffen sind (vgl. z.B. Senatsur­teil vom 07.02.2024 ‑ I R 8/19, BFH/NV 2024, 759; s.a. Urteile des Bundesfi­nanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 25.04.2006 ‑ VIII R 52/04, BFHE 214, 40, BStBl II 2006, 847; vom 16.12.2021 ‑ IV R 1/18, BFH/NV 2022, 305; BFH-Beschluss vom 17.10.2013 ‑ IV R 25/10, BFH/NV 2014, 170).

2. Zur Aufdeckung der stillen Reserven an den Rechten am geistigen Eigentum hat nicht bereits die teilentgeltliche Übertragung der Patent‑, Marken- und Ge­brauchsmusterrechte von der C‑KG auf die V‑KG am 25.05.2005 geführt.

a) Zwar gilt nach § 6 Abs. 4 EStG in dem Fall, dass ein einzelnes Wirtschafts­gut unentgeltlich in das Betriebsvermögen eines anderen Steuerpflichtigen übertragen wird, grundsätzlich sein gemeiner Wert für das aufnehmende Be­triebsvermögen als Anschaffungskosten. Jedoch ist gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 i.V.m. Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024) vom 02.12.2024 (BGBl I 2024 Nr. 387, BStBl I 2024, 1484) der Wert anzuset­zen, der sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich zwischen den Gesamthandsvermögen ver­schiedener Mitunternehmerschaften derselben, identisch beteiligten Mitunter­nehmer übertragen wird. Diese Regelung ist in Erfüllung der Vorgaben des BVerfG-Beschlusses vom 28.11.2023 ‑ 2 BvL 8/13 (BVerfGE 168, 1) in das Ge­setz eingefügt worden und gilt gemäß § 52 Abs. 12 Satz 14 EStG i.d.F. des JStG 2024 für alle offenen Fälle, mithin rückwirkend auch für die hier zu beur­teilende Übertragung vom 25.05.2005.

b) Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG i.d.F. des JStG 2024 sind erfüllt. An den Gesamthandsvermögen der V‑KG und der C‑KG waren die gleichen Mitunter­nehmer (Klägerin zu 1. und B‑BV) identisch (jeweils zu 50 %) beteiligt. Dass aus den vorinstanzlichen Feststellungen nicht hervorgeht, ob auch die Kom­plementäre der V‑KG und der C‑KG identisch sind, hindert die Anwendung der Vorschrift nicht. Diese stellt auf die Gesamthandsvermögen der Mitunterneh­merschaften ab und ist dahin auszulegen, dass nicht vermögensmäßig an ei­ner KG beteiligte Komplementäre für die Frage der Beteiligungsidentität nicht maßgeblich sind (so ausdrücklich Begründung des Regierungsentwurfs eines Jahressteuergesetzes 2024, BTDrucks 20/12780, S. 121).

3. Zur Aufdeckung der stillen Reserven hat jedoch die Überführung der Rechte am geistigen Eigentum durch die V‑KG in ihre niederländische Betriebsstätte geführt, die nach § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 einer Ent­nahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG gleichsteht.

a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Gewinn der Unterschiedsbetrag zwi­schen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Be­triebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Ent­nahmen sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere be­triebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Die mit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europä­ischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 07.12.2006 (BGBl I 2006, 2782, berichtigt BGBl I 2007, 68, BStBl I 2007, 4) in das Gesetz aufgenommene Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bestimmt, dass einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) hin­sichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirt­schaftsguts gleichsteht. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteue­rungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschafts­guts liegt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ‑‑der dem Einkommensteuergesetz mit dem Jahressteuergesetz 2010 hinzugefügt worden ist‑‑ insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzu­ordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.

b) Einer Anwendung der Entnahmeregelungen des § 4 Abs. 1 EStG auf die Überführung der Einzelwirtschaftsgüter in die niederländische Betriebsstätte der V‑KG steht nicht entgegen, dass es sich bei deren Kommanditistinnen (Klägerin zu 1. und B‑BV) offenbar ‑‑ausdrückliche Feststellungen hat das FG insoweit allerdings nicht getroffen‑‑ um mit deutschen Kapitalgesellschaften vergleichbare Rechtssubjekte und damit um Körperschaftsteuersubjekte ge­handelt hat. Das FG hat zutreffend angenommen, dass die Vorschriften über die Entnahme in diesem Fall nicht durch die Entstrickungsregeln des § 12 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des JStG 2010 (KStG), die nach den in § 34 Abs. 8 Satz 3 KStG geregelten Maßgaben rückwirkend auch für Wirtschaftsjahre gelten, die vor dem 01.01.2006 enden, verdrängt werden (ebenso Brandis/Heuermann/Pfirrmann, § 12 KStG Rz 24; Kessens in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 12 Rz 23; Benecke/Staats in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 12 KStG Rz 69; anderer Auffassung Müller, Internationale Steuer-Rundschau ‑‑ISR‑‑ 2014, 60, 62; von Freeden in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 12 Rz 14; Frotscher in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 Rz 365; Mundfortz in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 12 KStG Rz 15). In Konstellatio­nen, in denen ein Körperschaftsteuersubjekt als Mitunternehmer an einer Per­sonengesellschaft beteiligt ist, finden die Regelungen zur Entnahme Anwen­dung (vgl. Senatsurteil vom 12.10.2016 ‑ I R 92/12, BFHE 256, 32, BStBl II 2022, 123). Stellt der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des SEStEG den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts einer Entnahme gleich, muss dieser Tatbestand ‑‑ebenso wie die nähere Bestimmung des Ausschlusses und der Beschränkung des Be­steuerungsrechts in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010‑‑ auch bei der Ermittlung der Ge­winnanteile von als Mitunternehmer an einer Personengesellschaft beteiligten Kapitalgesellschaften oder anderen Körperschaftsteuersubjekten Anwendung finden.

c) Die Überführung der Rechte am geistigen Eigentum an den gewerblichen Schutzrechten in die in den Niederlanden belegene Betriebsstätte der V‑KG er­füllt den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG i.d.F. des JStG 2010 und ist daher einer nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG gewinnerhöhenden Ent­nahme zu betriebsfremden Zwecken gleichzustellen.

aa) Es kommt dabei nicht entscheidungserheblich darauf an, ob ‑‑wie das FG angenommen hat‑‑ bereits der mit dem SEStEG ‑‑mit erstmaliger Geltung für nach dem 31.12.2005 endende Wirtschaftsjahre (§ 52 Abs. 8b EStG i.d.F. des SEStEG)‑‑ eingefügte Satz 3 des § 4 Abs. 1 EStG, der den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung des Wirtschaftsguts voraussetzt, für sich genommen zu ei­ner Gleichstellung der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte mit einer Entnahme führen würde (offengelassen im Senatsur­teil vom 17.07.2008 ‑ I R 77/06, BFHE 222, 402, BStBl II 2009, 464, unter B.III.3.b bb ‑ dort wurde ‑‑unter Aufgabe der vormaligen "Theorie der finalen Entnahme"‑‑ entschieden, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands bei einer Veräußerung des zuvor in eine ausländische Betriebsstätte überführten Wirtschaftsguts im Hinblick auf die bis zur Überführung im Inland entstandenen stillen Reserven durch eine in einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ‑‑DBA‑‑ vereinbarte Frei­stellung der ausländischen Betriebsstättengewinne nicht beeinträchtigt wird).

bb) Mit der Einfügung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG durch das JStG 2010 hat der Gesetzgeber jedoch unmissverständlich normiert, dass der Fall der Überfüh­rung eines bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzu­ordnenden Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte ‑‑und zwar un­abhängig von einer etwaigen abkommensrechtlichen Freistellung der ausländi­schen Betriebsstättengewinne‑‑ ein Anwendungsfall ("… liegt insbesondere vor, wenn …") des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des SEStEG sein soll. Angesichts dieses anhand des Normwortlauts klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers ist im Falle der Tatbestandsmäßigkeit nach § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 eine nochmalige Prüfung der Voraussetzungen des Satzes 3 nicht erforderlich (vgl. auch Brandis/Heuermann/Drüen, § 4 EStG Rz 487; Reddig in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 242; Musil, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 2011, 545, 549). Dass § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 nach der Begründung des Ge­setzentwurfs (BTDrucks 17/3549, S. 15) "klarstellend den Hauptanwendungs­fall des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG mittels eines Regelbeispiels" erläutern soll, än­dert daran ‑‑entgegen der Sichtweise der Revision‑‑ nichts (anderer Auffas­sung Gosch, Internationale Wirtschaftsbriefe 2012, 779, 784 f. und BFH‑PR 2015, 296, 298; Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, 2013, S. 25; Kessler/Philipp, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2012, 267, 270).

cc) Die tatrichterliche Würdigung des FG, die Rechte am geistigen Eigentum seien zunächst in die V‑KG eingelegt und erst im Anschluss daran deren nie­derländischer Betriebsstätte ‑‑einer ausländischen Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010‑‑ zugeordnet, mithin nicht unmittelbar von der C‑KG in die Niederlande übertragen worden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und bindet den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO. Insbesondere aufgrund des Umstands, dass die V‑KG die Räumlichkeiten in den Niederlanden ab dem 01.06.2005 angemietet und damit erst die Voraussetzung für eine feste Ge­schäftseinrichtung im Sinne des für die Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 maßgeblichen § 12 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) geschaffen hat (vgl. Se­natsurteil vom 03.02.1993 ‑ I R 80‑81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462), erscheint der vom FG gezogene Schluss, dass die in dem Vertrag vom 25.05.2005 mit sofortiger Wirkung vereinbarte Einlage der Rechte am geisti­gen Eigentum ‑‑ungeachtet der im Vertragstext in Bezug genommenen einge­tragenen Niederlassung der V‑KG ("registered Office") in den Niederlanden‑‑ in die V‑KG und nicht in deren niederländische Betriebsstätte erfolgen sollte, möglich. Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze ist weder ge­rügt worden noch sonst ersichtlich.

d) § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG i.d.F. des JStG 2010 gilt rückwirkend auch für die im Streitfall zu beurteilende Überführung der Rechte am geistigen Eigentum in die niederländische Betriebsstätte der V‑KG.

aa) § 52 Abs. 8b Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 ordnet die Geltung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des SEStEG für Wirtschaftsjahre, die vor dem 01.01.2006 enden, für Fälle an, in denen ein bisher einer inländischen Betriebsstätte eines unbe­schränkt Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte dieses Steuerpflichtigen zuzuordnen ist, deren Einkünfte durch ein DBA freigestellt sind (Variante 1) oder wenn das Wirtschaftsgut bei einem beschränkt Steuerpflichtigen nicht mehr einer inländischen Betriebsstätte zu­zuordnen ist (Variante 2). § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 gilt in allen Fällen, in denen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des SEStEG anzuwenden ist (§ 52 Abs. 8b Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010).

bb) Für den Streitfall führt § 52 Abs. 8b Satz 2 Variante 1 i.V.m. Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 zur rückwirkenden Geltung des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG i.d.F. des JStG 2010, weil die Einkünfte der niederländischen Betriebsstätte der V‑KG im Streitjahr gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 von der Besteuerung durch Deutschland freigestellt waren.

4. Über die Revision ist abschließend zu entscheiden, weil die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des BVerfG nicht vorliegen. Der Senat ist ‑‑wie schon die Vorinstanz‑‑ nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die durch § 52 Abs. 8b Satz 2 und 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 angeordnete Anwendung des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG für Wirtschaftsjahre, die vor dem 01.01.2006 enden, in der Konstellation des Streitfalls dem verfassungsrechtlich gewährten Vertrauensschutzgebot und damit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG widerspricht (ebenso FG Köln, Urteil vom 16.02.2016 ‑ 10 K 2335/11, EFG 2016, 793; Bode in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 4 Rz 107a, 108; zur Parallelregelung in § 12 KStG: Brandis/Heuermann/Pfirrmann, § 12 KStG Rz 10; anderer Auffassung Brandis/Heuermann/Drüen, § 4 EStG Rz 486; Reddig in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 210; Frotscher/Watrin in Frotscher/Geurts, EStG, § 4 Rz 362c; Musil, FR 2011, 545, 550; Ditz/Tcherveniachki, ISR 2016, 417).

a) Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehöri­gen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grund­gesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (BVerfG-Beschluss vom 14.12.2022 ‑ 2 BvL 7/13, 2 BvL 18/14, BVerfGE 165, 103). Das BVerfG unterscheidet bei rückwirkenden Gesetzen in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit "echter" Rückwirkung und solchen mit "unechter" Rückwirkung.

aa) Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon für vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Das ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig (z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010 ‑ 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1; vom 25.03.2021 ‑ 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177). Bei einer echten Rückwir­kung hat der Vertrauensschutz regelmäßig Vorrang, weil der in der Vergan­genheit liegende Sachverhalt mit dem Eintritt der Rechtsfolge kraft gesetzli­cher Anordnung einen Grad der Abgeschlossenheit erreicht hat, über den sich der Gesetzgeber vorbehaltlich besonders schwerwiegender Gründe nicht mehr hinwegsetzen darf (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010 ‑ 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1; vom 14.12.2022 ‑ 2 BvL 7/13, 2 BvL 18/14, BVerfGE 165, 103).

bb) Eine unechte Rückwirkung liegt vor, soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem be­reits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden. Eine solche Rückwir­kung ist nicht grundsätzlich unzulässig (BVerfG-Beschluss vom 25.03.2021 ‑ 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177). Es muss jedoch der Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit gewahrt sein; die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Rege­lung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen (BVerfG-Beschluss vom 14.12.2022 ‑ 2 BvL 7/13, 2 BvL 18/14, BVerfGE 165, 103).

cc) Im Steuerrecht liegt eine echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzge­ber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (BVerfG-Be­schluss vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1). Erfolgt eine Änderung von Normen hingegen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum, ist diese jedenfalls in formaler Hinsicht der Kategorie der unechten Rückwir­kung zuzuordnen (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1); denn nach § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG bzw. § 30 Nr. 3 KStG entstehen Einkommensteuer und Körperschaftsteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums.

b) Nach diesen Maßgaben handelt es sich bezogen auf den Streitfall bei der durch § 52 Abs. 8b Satz 2 und 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 angeordneten Rückwirkung des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG für Wirtschaftsjahre, die vor dem 01.01.2006 enden, um eine echte Rückwirkung. Denn zum Zeit­punkt des Inkrafttretens des Jahressteuergesetzes 2010 war der Veranla­gungszeitraum 2005, in den das Ende des Wirtschaftsjahres 2005 der V‑KG fällt, bereits abgeschlossen und waren die entsprechenden Steuerschulden entstanden.

c) Neben dem Effekt der formal-gesetzlichen Rückwirkung hat die Einfügung des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG i.d.F. des JStG 2010 gegenüber dem alten Recht auch eine konstitutive materiell-rechtliche Rechtsänderung bewirkt.

aa) Ob eine rückwirkende Gesetzesänderung gegenüber dem alten Recht de­klaratorisch oder konstitutiv wirkt, hängt vom Inhalt des alten und des neuen Rechts ab, der regelmäßig erst durch Auslegung ermittelt werden muss. Dabei kommt der Begründung eines Gesetzentwurfs, in der die Rechtsänderung als deklaratorische "Klarstellung" des bisherigen Rechtszustands bezeichnet wird, keine für die Gerichte verbindliche Wirkung zu; maßgeblich ist vielmehr die Auslegung der Norm durch die rechtsprechende Gewalt (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1).

bb) Nach dem zum Zeitpunkt des Erlasses des SEStEG ge­gebenen Stand der Rechtsprechung zum alten Recht ‑‑das heißt zur Fassung des § 4 Abs. 1 EStG ohne die später eingefügten Sätze 3 und 4‑‑ hätte die Überführung der Wirtschaftsgüter in die niederländische Betriebsstätte der Klägerin nicht die Rechtsfolgen einer Entnahme ausgelöst. Der erkennende Se­nat hatte mit Urteil vom 17.07.2008 ‑ I R 77/06 (BFHE 222, 402, BStBl II 2009, 464) seine frühere Rechtsprechung, der zufolge in der Überführung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländi­sche Betriebsstätte stets eine Entnahme im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG zu sehen sei, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne aufgrund eines DBA von der Besteuerung im Inland freigestellt sind (sogenannte Theorie der finalen Entnahme), ausdrücklich aufgegeben, weil die Tatbestandsvorausset­zungen einer Entnahme "zu betriebsfremden Zwecken" nicht erfüllt seien und im Übrigen eine spätere Besteuerung der in dem Wirtschaftsgut ruhenden stil­len Reserven durch Deutschland abkommensrechtlich zulässig sei. Diese Rechtsprechungsänderung wurde vom BMF "im Vorgriff auf mögliche gesetzli­che Regelungen" mit einem sogenannten Nichtanwendungserlass belegt (BMF-Schreiben vom 20.05.2009, BStBl I 2009, 671, nachfolgend BMF-Schreiben vom 18.11.2011, BStBl I 2011, 1278) und sollte mit der Einfügung des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG durch das JStG 2010 durch rückwirkende Schaffung der nach dem Senatsurteil vom 17.07.2008 ‑ I R 77/06 (BFHE 222, 402, BStBl II 2009, 464) bislang fehlenden Rechtsgrundlage für eine Entstrickungsbesteue­rung auch für die Vergangenheit konterkariert werden ("Nichtanwendungsge­setz", vgl. Brandis/Heuermann/Drüen, § 4 EStG Rz 485).

d) Die sonach durch § 52 Abs. 8b Satz 2 und 3 EStG bewirkte konstitutive Rückwirkung des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG (jeweils i.d.F. des JStG 2010) in die Zeit vor 2006 ist in der Konstellation des Streitfalls verfas­sungsrechtlich gerechtfertigt.

aa) Die im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes stehen den Steuerpflichtigen belastenden Gesetzen mit echter Rückwirkung grundsätzlich entgegen. Das grundsätzliche Verbot echt rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes; es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage er­wor­benen Rechte. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergan­genheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies ei­ner besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grund­rechten des Grundgesetzes (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1). Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprin­zip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Le­bensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde die Betroffenen in ihrer Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öf­fentliche Gewalt an ihr Verhalten oder an sie betreffende Umstände ohne Wei­teres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt ihres rechtserheblichen Verhaltens galten. Ausgehend hiervon sind Gesetze mit echter Rückwirkung grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Beschluss vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1).

bb) Von diesem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze bestehen jedoch Ausnahmen. Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrau­ensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 25.05.1993 ‑ 1 BvR 1509/91, 1 BvR 1648/91, BVerfGE 88, 384; vom 21.07.2010 ‑ 1 BvL 11‑13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369; vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1). Es gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15.10.1996 ‑ 1 BvL 44/92, 1 BvL 48/92, BVerfGE 95, 64; vom 18.02.2009 ‑ 1 BvR 3076/08, BVerfGE 122, 374) oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwür­dig war (vgl. BVerfG-Urteil vom 19.12.1961 ‑ 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261; BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1). Bei den in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannten, nicht abschließend definierten Fallgruppen handelt es sich um Typisierungen ausnahmsweise fehlenden Ver­trauens in eine bestehende Gesetzeslage (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 14.05.1986 ‑ 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200; vom 03.12.1997 ‑ 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67). Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personen­gruppe auf ihren Fortbestand zu begründen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 20.10.1971 ‑ 1 BvR 757/66, BVerfGE 32, 111; vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1).

So ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkun­gen gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwir­kung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten (vgl. BVerfG-Urteil vom 19.12.1961 ‑ 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261; BVerfG-Be­schluss vom 18.02.2009 ‑ 1 BvR 3076/08, BVerfGE 122, 374). Vertrauens­schutz kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn die Rechtslage so unklar und verworren war, dass eine Klärung erwartet werden musste (vgl. BVerfG-Urteil vom 19.12.1961 ‑ 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261; BVerfG-Be­schluss vom 21.07.2010 ‑ 1 BvL 11‑13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369), oder wenn das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14.11.1961 ‑ 2 BvR 345/60, BVerfGE 13, 215). Dar­über hinaus kann es verfassungsrechtlich unbedenklich sein, wenn der Gesetz­geber durch ein rückwirkendes Gesetz lediglich eine in der Vergangenheit herrschende Rechtspraxis kodifiziert, um so einer zwischenzeitlich erfolgten Rechtsprechungsänderung entgegenzuwirken (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 23.01.1990 ‑ 1 BvL 4‑7/87, BVerfGE 81, 228; vom 21.07.2010 ‑ 1 BvL 11‑13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369; vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1; vom 12.07.2023 ‑ 2 BvR 482/14, DStR 2023, 1769; BFH-Urteile vom 12.11.2013 ‑ VIII R 36/10, BFHE 243, 506, BStBl II 2014, 168; vom 30.06.2022 ‑ IV R 42/19, BFHE 278, 42, BStBl II 2023, 118).

cc) Für die im Streitfall maßgebliche Rückwirkung des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG i.d.F. des JStG 2010 in den Veranlagungszeitraum 2005 greift der letztge­nannte Rechtfertigungsgrund der "Korrektur" einer späteren Rechtsprechungs­änderung, auf die die Betroffenen im fraglichen Zeitraum noch nicht haben vertrauen können.

In den vor der Aufgabe der "Theorie der finalen Entnahme" durch das Senats­urteil vom 17.07.2008 ‑ I R 77/06 (BFHE 222, 402, BStBl II 2009, 464) ergan­genen Entscheidungen hatte der Senat in der Überführung von Einzelwirt­schaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Be­triebsstätte stets eine gewinnrealisierende Entnahme im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG gesehen, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne auf­grund eines DBA von der Besteuerung im Inland freigestellt waren (vgl. Se­natsurteile vom 16.07.1969 ‑ I 266/65, BFHE 97, 342, BStBl II 1970, 175; vom 28.04.1971 ‑ I R 55/66, BFHE 102, 374, BStBl II 1971, 630; vom 24.11.1982 ‑ I R 123/78, BFHE 137, 59, BStBl II 1983, 113; zustimmend BFH-Urteile vom 30.05.1972 ‑ VIII R 111/69, BFHE 106, 198, BStBl II 1972, 760; vom 16.12.1975 ‑ VIII R 3/74, BFHE 117, 563, BStBl II 1976, 246; vom 19.02.1998 ‑ IV R 38/97, BFHE 186, 42, BStBl II 1998, 509). Die Finanzver­waltung ist dem (mit zwar variierenden Begründungen, aber) seit 1999 jeden­falls im Ergebnis ‑‑der Annahme einer Gewinnrealisierung‑‑ gefolgt. Zur Ab­milderung der Rechtsfolgen hat die Finanzverwaltung die in den Betriebsstätten-Ver­waltungsgrundsätzen seit 1999 niedergelegte und auch im Streitfall angewendete, als Billig­keitsregelung im Sinne von § 163 AO verstandene Stundungsregelung prakti­ziert, indem die Gewinnerhöhung durch einen Merkposten neutralisiert worden ist, der sodann über einen Zeitraum von zehn Jahren in gleichen Jahresraten gewinnerhöhend aufgelöst wurde (BMF-Schreiben vom 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076, Tz. 2.6.1, 2.6.3).

Die Rechtsprechung zur Theorie der finalen Entnahme ist zwar überwiegend älteren Datums und in weiten Teilen der Literatur in zunehmendem Maße kritisiert und als überholt angesehen worden (vgl. Nachweise im Senatsurteil vom 17.07.2008 ‑ I R 77/06, BFHE 222, 402, BStBl II 2009, 464, unter B.III.3.b bb). Ein objektiv nachvollziehbarer Anlass, der der V‑KG zum Zeit­punkt der Überführung der Rechte in ihre niederländische Betriebsstätte im Juni 2005 ein schützenswertes Vertrauen darauf hätte vermitteln können, dass sich die Literaturauffassung in Bezug auf den Veranlagungszeitraum 2005 ge­gen die bisherige Rechtsprechungs- und Verwaltungspraxis durchsetzen könn­te, ist jedoch nicht zu erkennen. Allein eine ‑‑insbesondere aufgrund von in der Literatur geäußerten Bedenken‑‑ Möglichkeit einer zukünftigen Rechtsprechungsänderung begründet keinen verfassungsrechtlichen Vertrau­ensschutz (Senatsurteil vom 14.03.2006 ‑ I R 1/04, BFHE 213, 38, BStBl II 2006, 549; Senatsbeschluss vom 22.02.2006 ‑ I B 145/05, BFHE 213, 29, BStBl II 2006, 546). An der fehlenden Schutzwürdigkeit des Vertrauens ändert es auch nichts, wenn die Rechtsauffassung des Einzelnen im weiteren Verlauf von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt wird (vgl. BVerfG-Be­schluss vom 14.12.2022 ‑ 2 BvL 7/13, 2 BvL 18/14, BVerfGE 165, 103).

Der Steuergesetzgeber hat mit dem Jahressteuergesetz 2010 die vor der im Jahr 2008 vorgenommenen Rechtsprechungsänderung bestehende Rechtspra­xis aufgegriffen. Die Rechtsfolgen, die sich in den von § 52 Abs. 8b Satz 2 Va­riante 1 EStG i.d.F. des JStG 2010 erfassten Fällen aus dieser Anwendungsre­gel für das Streitjahr ergeben, sind damit nicht ungünstiger als diejenigen, von denen bei objektiver Betrachtung alle von der früheren Rechtsprechung betrof­fenen Steuerpflichtigen bis zum Bekanntwerden der Rechtsprechungsänderung bei ihren Dispositionen ausgehen mussten.

5. Die Aufdeckung der stillen Reserven verstößt nicht gegen die unionsrecht­lich garantierte Niederlassungsfreiheit (Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europä­ischen Gemeinschaften und einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1; jetzt Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (Amtsblatt der Europä­ischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2008, Nr. C 115, 47)).

a) Zwar stellt nach der Rechtsprechung des EuGH eine Regelung ‑‑wie die des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG i.d.F. des JStG 2010‑‑, die bei der Überführung von Wirt­schaftsgütern in eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte zu einer sofortigen Besteuerung von stillen Reserven führt, die im Rahmen der Steuerhoheit eines Mitgliedstaats entstanden sind, aufgrund des Liquiditäts­nachteils eine Schlechterstellung gegenüber der ‑‑mangels Entnahme erfolgs­neutralen‑‑ Überführung zwischen zwei inländischen Betriebsstätten dar (vgl. auch EuGH-Urteil Kommission/Dänemark vom 18.07.2013 ‑ C‑261/11, EU:C:2013:480, Rz 29; für die Sitzverlegung EuGH-Urteil Kommissi­on/Portugal vom 06.09.2012 ‑ C‑38/10, EU:C:2012:521, Rz 28).

Auch wird diese Ungleichbehandlung nicht durch eine fehlende objektive Vergleich­barkeit gerechtfertigt. Die Situation eines Steuerpflichtigen, der Wirtschafts­güter in eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte über­führt, ist in Bezug auf die Besteuerung der in den überführten Wirtschaftsgü­tern enthaltenen, vor der Überführung entstandenen stillen Reserven mit der Situation eines Steuerpflichtigen vergleichbar, der eine entsprechende Über­führung in eine im Inland belegene Betriebsstätte vornimmt (EuGH-Urteil Verder LabTec vom 21.05.2015 ‑ C‑657/13, EU:C:2015:331, Rz 38; s.a. EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 16.04.2015 ‑ C‑591/13, EU:C:2015:230, Rz 60).

b) Nach der vom FG im finanzgerichtlichen Verfahren eingeholten Vorabent­scheidung des EuGH (Urteil Verder LabTec vom 21.05.2015 ‑ C‑657/13, EU:C:2015:331, Rz 52), die auch für den erkennenden Senat im Revisionsver­fahren unmittelbar verbindlich ist (sogenannte inter-partes-Wirkung, vgl. BFH-Urteil vom 11.02.2003 ‑ VII R 1/01, BFH/NV 2003, 1100), ist jedoch die mit einer (in dem angefochtenen Bescheid umge­setzten) auf zehn Jahre gestaffelten Erhebung der Steuer auf die stillen Reser­ven verbundene Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sowohl unter dem Aspekt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (Rz 42 des EuGH-Urteils) als auch nach dem Grundsatz der steuerli­chen Territorialität (Rz 43 des EuGH-Urteils) gerechtfertigt (s.a. EuGH-Urteile Natio­nal Grid Indus vom 29.11.2011 ‑ C‑371/10, EU:C:2011:785, Rz 45; DMC vom 23.01.2014 ‑ C‑164/12, EU:C:2014:20, Rz 62).

Mit dieser Entscheidung des EuGH ist die Unionsrechtsmäßigkeit des § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 in Verbindung mit der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Stundungsregelung für die im Streitfall gegebene Konstella­tion der Überführung eines Wirtschaftsguts vom inländischen Stammhaus in eine in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegene Betriebsstätte geklärt (vgl. auch Brandis/Heuermann/Drüen, § 4 EStG Rz 486a; Reddig in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 209; Bode in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 4 Rz 106a; Schmidt/Loschelder, EStG, 43. Aufl., § 4 Rz 243; Kahle/Beinert, FR 2015, 585, 589; s.a. zu § 12 KStG: Brandis/Heuermann/Pfirrmann, § 12 KStG Rz 27; Lampert in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 12 Rz 50; kritisch zur EuGH-Rechtsprechung von Freeden in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl., § 12 Rz 42). Auf die Frage, ob und (gegebenenfalls) in welchem (zeitlichen) Umfang es die Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12.07.2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktio­nieren des Binnenmarkts (sogenannte Anti-Tax Avoidance Directive ‑‑ATAD‑‑, ABlEU 2016, Nr. L 193, 1; einschlägig wäre im Streitfall Art. 5 ATAD zur Über­tragung von Vermögenswerten und Wegzugsbesteuerung) durch sogenannte Vorwirkung ausschließt, deren Regelungen umsetzendes nationales Recht an den Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Uni­on zu messen (vgl. allgemein Hey, Steuer und Wirtschaft ‑‑StuW‑‑ 2017, 248, 253 f.; Valta/Gerbracht, StuW 2019, 118, 122; Martini in Hagemann/Kahlenberg, Anti Tax Avoidance Directive, 2019, Kap. B. "Verhält­nis zum Primärrecht, Auslegung und Anwendung" Rz 10 ff.), kommt es damit von vornherein nicht an.

6. Die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG i.d.F. des JStG 2010 verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 2 DBA-Niederlande 1959/2004.

a) Nach dieser Vorschrift sollen von einer Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten betriebene Unternehmen grundsätzlich hinsichtlich ihrer Be­triebsstätten in dem anderen Vertragsstaate keinen Steuern unterworfen wer­den, die anders, höher oder belastender sind als die Steuern, denen Unterneh­men unterworfen sind, die von einer Person mit Wohnsitz in dem anderen Ver­tragsstaate betrieben werden. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem in seinem Wortlaut vergleichbaren Art. 24 Abs. 3 Satz 1 des Musterabkom­mens der Organisation for Economic Cooperation and Development (Senats­urteil vom 07.12.2011 ‑ I R 30/08, BFHE 236, 159, BStBl II 2012, 507).

Gegen das Verbot wird verstoßen, wenn die finanzielle Belastung (Gesamt­steuerbelastung) des ausländischen Unternehmens hinsichtlich seiner inländi­schen Betriebsstätte höher ist als die Belastung des inländischen Unterneh­mens (Senatsurteil vom 19.12.2012 ‑ I R 73/11, BFHE 240, 99, BStBl II 2013, 392 zum DBA-Ungarn). Für den anzustellenden Vergleich ist Voraussetzung, dass die inländische Betriebsstätte eines im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmens nicht nur die gleiche Tätigkeit ausübt wie das zum Vergleich herangezogene inländische Unternehmen, sondern auch ansonsten bei beiden Unternehmen gleiche Verhältnisse vorliegen (Senatsurteil vom 30.03.2011 ‑ I R 63/10, BFHE 233, 198, BStBl II 2011, 747; BFH-Urteil vom 10.03.2005 ‑ II R 51/03, BFH/NV 2005, 1500; jeweils zum DBA-USA).

b) Auch wenn man die Kommanditistinnen der V‑KG (Klägerin zu 1. und B‑BV) als hinsichtlich des Art. 24 Abs. 2 DBA-Niederlande 1959/2004 berechtigte Personen im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Niederlande 1959/2004 an­sieht, deren "Wohnsitz" nach Art. 3 Abs. 5 DBA-Niederlande 1959/2004 in den Niederlanden liegt, fehlt es nach diesen Maßstäben hinsichtlich der durch die Klägerin vermittelten Betriebsstätte an einer Schlechterstellung gegenüber Un­ternehmen, die von einer Person mit Wohnsitz in Deutschland betrieben wer­den. § 4 Abs. 1 Satz 4 (i.V.m. Satz 3) EStG i.d.F. des JStG 2010 findet sowohl auf von unbe­schränkt als auch von beschränkt Steuerpflichtigen unterhaltene Betriebsstät­ten Anwendung. Wenn nämlich ein einer inländischen Betriebsstätte eines unbeschränkt ‑‑und nach Art. 3 DBA-Niederlande 1959/2004 in Deutschland ansässigen‑‑ Steuer­pflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer in den Niederlanden (oder ei­nem Drittstaat) belegenen Betriebsstätte zuzuordnen ist, kommt es ebenfalls zu einer erfolgswirksamen Aufdeckung der stillen Reserven (vgl. für § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG i.d.F. des SEStEG: Müller, Besteuerung stiller Reserven bei Auslandsbezug im Span­nungsfeld zwischen Verfassung, Abkommens- und Europarecht, 2012, S. 170). Die steuerliche Behandlung gleicht damit der bei einem inländischen Unterneh­men.

7. Das FG hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Entnahme sei mit dem Fremdvergleichswert anzusetzen. Zwar ist durch das SEStEG § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG dahingehend geändert worden, dass in den Fällen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG die Entnahmen ‑‑abweichend von dem sonst geltenden Ansatz des Teil­werts‑‑ mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind. Die geänderte Gesetzesfas­sung ist jedoch gemäß § 52 Abs. 16 Satz 1 EStG i.d.F. des SEStEG erstmals für nach dem 31.12.2005 endende Wirtschaftsjahre anzuwenden, so dass für den Streitfall der Ansatz des Teilwerts maßgeblich bleibt. Soweit nach dem BMF-Schreiben vom 24.12.1999 (BStBl I 1999, 1076, Tz. 2.6.1, 2.6.3) in Fäl­len, in denen Wirtschaftsgüter eines inländischen Stammhauses in dessen aus­ländische Betriebsstätte, deren Einkünfte durch ein DBA freigestellt sind, oder ‑‑bei beschränkter Steuerpflicht‑‑ aus der inländischen Betriebsstätte in das ausländische Stammhaus oder dessen ausländische Betriebsstätte überführt werden, die Aufdeckung der stillen Reserven mit dem Fremdvergleichspreis im Zeitpunkt der Überführung erfolgen soll, handelt es sich dabei um eine norm­interpretierende Verwaltungsvorschrift, die die Gerichte nicht bindet (vgl. z.B. Senatsurteile vom 08.11.2016 ‑ I R 35/15, BFHE 256, 253, BStBl II 2017, 768; vom 23.08.2017 ‑ I R 52/14, BFHE 259, 20, BStBl II 2018, 232; vom 05.06.2024 ‑ I R 3/22, BFH/NV 2024, 1366).

Der Feststellung der Vorinstanz, die Beteiligten hätten den Wert der stillen Re­serven übereinstimmend ermittelt, kommt eine Bindungswirkung als tatsächli­che Verständigung (dazu allgemein z.B. Senatsurteil vom 08.10.2008 ‑ I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121) nicht zu, weil sie allenfalls die dem Fremdvergleichswert ‑‑nicht aber die dem Teilwert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG‑‑ zugrunde liegenden Tatsachen und damit einen an­deren Ausschnitt aus dem Besteuerungssachverhalt umfasst.

8. Das FG ist teilweise von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen zur Höhe des Teilwerts der übertragenen Rechte zum Übertragungszeitpunkt zu treffen haben. Sollte der Teilwert aller­dings höher liegen als der in dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Wert, darf der Bescheid aufgrund des sogenannten Verböserungsverbots nicht zu Lasten der Klägerinnen abgeändert werden.

9. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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