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BFH: Sicherheitsleistung in Steuerhöhe nicht konstitutiv für die Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens

Es steht der Beförderung von Schaumwein unter Steueraussetzung in einen anderen Mitgliedstaat nicht entgegen, wenn die zuvor vom Hauptzollamt fest­gesetzte und vom Versender dementsprechend geleistete Sicherheitsleistung nicht die volle Höhe der möglicherweise entstehenden Schaumweinsteuer ab­deckt. Die Leistung einer Sicherheit genau in Höhe der potentiell entstehenden Schaumweinsteuer ist für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungs­verfahrens nicht konstitutiv.

SchaumwZwStG § 9 Abs. 1, § 11
SchaumwZwStV § 18 Abs. 3
VStSystRL Art. 18, Art. 21 Abs. 1 und 3
Verordnung (EG) Nr. 684/2009 Art. 3 Abs. 1, Anh. I Tabelle 1

BFH: Urteil vom 24.6.2025, VII R 33/22 (veröffentlicht am 16.10.2025)

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 11.8.2022, 6 K 1427/20 Z = SIS 22 15 78

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Weinkellerei und beförderte schaumweinsteuerpflichtige Waren aus ihrem Steuerlager in die Republik Finnland (Finnland).

Mit Bescheid vom 16.02.2018 setzte der Beklagte und Revisionskläger (Haupt­zollamt ‑‑HZA‑‑) gegen die Klägerin eine fortgesetzte Barsicherheit in Höhe von … € fest, die die Klägerin leistete.

Im Rahmen einer Steueraufsichtsmaßnahme kam das HZA zu dem Ergebnis, dass die Klägerin im Zeitraum vom 23.07.2018 bis zum 18.06.2019 insgesamt … Sendungen schaumweinsteuerpflichtiger Produkte ohne ausreichende Sicherheit nach Finnland befördert hatte, weil die potentielle Steuerlast der durchgeführten Beförderungen jeweils die hinterlegte Barsicherheit überschrit­ten hatte. Die Waren wurden in das Steuerlager des Empfängers in Finnland aufgenommen.

Mit Steuerbescheid vom 27.11.2019 setzte das HZA für diese … Sendungen Schaumweinsteuer in Höhe von insgesamt … € gegenüber der Kläge­rin fest. Den Betrag errechnete das HZA für jede Lieferung ausgehend von der möglicherweise entstehenden Schaumweinsteuer abzüglich der Barsicherheit in Höhe von … €. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen für die Entstehung der Schaumweinsteuer nicht erfüllt wa­ren. Die Waren seien vor beziehungsweise mit der Entnahme aus dem Steuer­lager in ein wirksam eröffnetes Steueraussetzungsverfahren überführt worden, das mit der Übernahme der Waren in das Steuerlager des Empfängers ord­nungsgemäß beendet worden sei. Die wirksame Eröffnung des Steuerausset­zungsverfahrens hänge nur vom Vorliegen der objektiven Voraussetzungen ab, während es auf etwaige subjektive Vorstellungen der Wirtschaftsbeteiligten nicht ankomme. Dass ein Steueraussetzungsverfahren im Fall einer nicht aus­reichend erbrachten Sicherheitsleistung nicht wirksam eröffnet werde, ergebe sich weder aus dem Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz in der im Streitfall geltenden Fassung (SchaumwZwStG) noch aus der ‑‑im Streitfall noch geltenden‑‑ Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2009, Nr. L 9, 12) ‑‑Verbrauchsteuersystemrichtlinie (VStSystRL)‑‑. Es sei zwar zwingend eine Sicherheit zu erbringen, dies sei jedoch nicht konstitutiv für das wirksame Zu­standekommen eines Steueraussetzungsverfahrens. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Verordnung (EG) Nr. 684/2009 der Kommission vom 24.07.2009 zur Durchführung der Richtlinie 2008/118/EG des Rates in Bezug auf die EDV-gestützten Verfahren für die Beförderung verbrauchsteuerpflichti­ger Waren unter Steueraussetzung (ABlEU 2009, Nr. L 197, 24) ‑‑Verordnung (EG) Nr. 684/2009‑‑. Zwar sei nur bei einer Sicherheitsleistung in Höhe der gesamten potentiellen Steuerschuld das mit der Steueraussetzung verbundene Risiko eines Steuerausfalls vollumfänglich abgedeckt. Der Richtliniengeber verweise jedoch hinsichtlich der Regelung der Einzelheiten an die Mitgliedstaa­ten. Aus dem vom HZA angeführten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) TanQuid Polska vom 24.03.2022 ‑ C‑711/20 (EU:C:2022:215) lasse sich keine andere Schlussfolgerung ziehen, weil der vom EuGH entschie­dene Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei.

Zur Begründung seiner Revision führt das HZA aus, für die wirksame Eröff­nung einer Beförderung unter Steueraussetzung müssten drei Voraussetzun­gen kumulativ erfüllt sein. Zunächst müssten der Versender und der Empfän­ger im Besitz einer gültigen Erlaubnis und zum Versand beziehungsweise zum Empfang der jeweiligen verbrauchsteuerpflichtigen Ware unter Steuerausset­zung berechtigt sein. Zudem müsse, soweit erforderlich, für die Beförderung eine Sicherheit geleistet worden sein. Außerdem müsse dem Versender vor Beginn der Beförderung ein validiertes elektronisches Verwaltungsdokument (e‑VD) übermittelt worden sein. Die (ausreichende) Sicherheitsleistung sei konstitutiv für das wirksame Zustandekommen einer Beförderung unter Steu­eraussetzung, wofür die Grundlagen in der Verbrauchsteuersystemrichtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht sprächen. In dem Bescheid vom 16.02.2018 über die Festsetzung der Sicherheit sei zudem ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Sicherheit den Steuerwert aller laufenden Be­förderungen unter Steueraussetzung abdecken müsse. Der Verbrauchsteuer­systemrichtlinie sei nicht zu entnehmen, dass das HZA den Inhalt oder die Hö­he der Sicherheit vor Eröffnung der Beförderung von verbrauchsteuerpflichti­gen Waren unter Steueraussetzung prüfen müsse.

Das HZA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung gibt es keine Grundlage für die Annahme, dass die Be­förderungen nicht unter Steueraussetzung erfolgt seien. Sie habe eine Sicher­heit geleistet. Wäre es Sache des Versenders, dafür zu sorgen, dass die Si­cherheitsleistung dem jeweiligen Steuerwert der Sendung entspräche, bedürf­te es weder einer Festsetzung noch einer entsprechenden Überprüfung der Sicherheit.

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Fi­nanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Für die nach Finnland beförderten Waren ist keine Schaumweinsteuer entstanden, weil die Waren jeweils in einem Verfahren der Steueraussetzung befördert wurden.

1. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a SchaumwZwStG darf Schaumwein unter Steueraussetzung, auch über Drittländer oder Drittgebiete, aus Steuerlagern im Steuergebiet in Steuerlager in anderen Mitgliedstaaten befördert werden. In diesem Fall hat der Steuerlagerinhaber als Versender eine Sicherheit zu leisten, die in allen Mitgliedstaaten gültig sein muss (§ 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 SchaumwZwStG).

Gemäß § 9 Abs. 1 SchaumwZwStG gelten Beförderungen, soweit im Schaum­wein- und Zwischenerzeugnissteuergesetz oder in den dazu ergangenen Rechtsverordnungen keine Ausnahmen vorgesehen sind, nur dann als unter Steueraussetzung durchgeführt, wenn sie mit einem e‑VD nach Art. 21 der VStSystRL in der jeweils geltenden Fassung (§ 3 Nr. 1 SchaumwZwStG) er­folgen. Nach diesen Vorschriften ist als Bedingung für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens im Wesentlichen die Erstellung eines e‑VD vorgesehen, das bestimmte Angaben zur Beförderung enthalten und vom Ver­sender an die zuständigen Behörden des Abgangsmitgliedstaats übermittelt werden muss. Welche Angaben das e‑VD im Einzelnen enthalten muss, ergab sich für den hier streitigen Zeitraum aus der Verordnung (EG) Nr. 684/2009.

Demgegenüber ist § 9 Abs. 1 SchaumwZwStG nicht zu entnehmen, dass die Beförderung nur dann unter Steueraussetzung erfolgt, wenn auch eine Sicher­heit in Höhe der möglicherweise entstehenden Schaumweinsteuer geleistet worden ist. Auch wenn der Steuerlagerinhaber als Versender für Beförderun­gen in andere Mitgliedstaaten gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 SchaumwZwStG Si­cherheit zu leisten hat und diese somit obligatorisch ist, wird die Sicherheits­leistung in Höhe der Steuerforderung nicht als Bedingung für die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens bestimmt (gleicher Auffassung Schrömbges, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2023, 269; Soyk, ZfZ 2019, 325). Denn während § 9 Abs. 1 SchaumwZwStG die Steuer­aussetzung ausdrücklich von der Verwendung eines e‑VD abhängig macht, ist dies hinsichtlich der Sicherheitsleistung bei § 11 Abs. 2 Satz 1 SchaumwZwStG nicht der Fall.

2. Auch die unionsrechtlichen Grundlagen des Steueraussetzungsverfahrens sprechen dafür, dass es nicht zu einer Entstehung der Verbrauchsteuer kommt, wenn die Sicherheit in der vom HZA zuvor festgesetzten Höhe geleis­tet wurde, auch wenn die für die beförderten Waren möglicherweise entste­hende Verbrauchsteuer von dieser Sicherheitsleistung nicht vollständig ge­deckt werden könnte.

a) Die wirksame Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens hängt nach den Vorgaben der Verbrauchsteuersystemrichtlinie nicht von der Leistung einer Sicherheit in der Höhe der möglicherweise entstehenden Steuer ab.

aa) Gemäß Art. 21 Abs. 1 VStSystRL gilt eine Beförderung verbrauchsteuer­pflichtiger Waren nur dann als in einem Verfahren der Steueraussetzung durchgeführt, wenn sie mit einem elektronischen Verwaltungsdokument er­folgt, das nach Art. 21 Abs. 2 und 3 VStSystRL erstellt wurde. Danach über­mittelt der Versender den zuständigen Behörden des Abgangsmitgliedstaats einen Entwurf des e‑VD, der anschließend elektronisch überprüft wird. Sind die Angaben darin korrekt, wird dem Dokument ein einziger administrativer Refe­renzcode zugewiesen und dieser dem Versender mitgeteilt.

Anforderungen an die Leistung einer Sicherheit sind in Abschn. 2 "Verfahren für die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung" des Kap. IV "Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraus­setzung" VStSystRL nicht enthalten.

bb) Abschn. 1 "Allgemeine Bestimmungen" zu Kap. IV VStSystRL enthält in Art. 18 Regelungen zur Sicherheitsleistung, die allerdings ebenfalls nicht im Sinne einer Bedingung zu verstehen sind.

(1) Nach Art. 18 Abs. 1 VStSystRL verlangen die zuständigen Behörden des Abgangsmitgliedstaats unter von ihnen festgelegten Bedingungen, dass die mit der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung verbundenen Risiken durch eine Sicherheit abgedeckt werden, die von dem zugelassenen Lagerinhaber als Versender oder dem registrierten Versender zu leisten ist.

Dies erfolgt nach deutschem Recht in der Weise, dass das für den Versender zuständige HZA die Höhe der Sicherheitsleistung und ihre Art vor Durchfüh­rung der Beförderung durch einen Verwaltungsakt im Sinne von § 118 der Ab­gabenordnung (AO) bestimmt. Gemäß § 241 Abs. 1 Nr. 1 AO kann die Sicher­heit durch Hinterlegung von im Geltungsbereich dieses Gesetzes umlaufenden Zahlungsmitteln erbracht werden.

(2) Art. 18 Abs. 1 VStSystRL deutet darauf hin, dass die Höhe der potentiell entstehenden Verbrauchsteuer zumindest ein gewichtiges Kriterium bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheit ist, weil die Risiken einer Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren abgedeckt werden müssen. Die verbrauch­steuerpflichtige Ware ist im Steuerlager bereits vorhanden, aber die Entste­hung der Verbrauchsteuer wird aufgeschoben, solange sich die Ware unter Steueraussetzung befindet (vgl. dazu die Definition des Verfahrens der Steu­eraussetzung in Art. 4 Nr. 7 VStSystRL). Das Steuerlager beziehungsweise die Beförderung im Steueraussetzungsverfahren haben somit eine Kreditfunktion. Sollte während der Beförderung eine Unregelmäßigkeit eintreten, entsteht die Verbrauchsteuer gemäß Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a VStSystRL, weshalb das wesentliche Risiko der Beförderung unter Steueraussetzung in einer mög­lichen Steuerentstehung liegt.

Allerdings beziffert Art. 18 Abs. 1 VStSystRL das Risiko nicht genau mit der potentiellen Steuerhöhe, vielmehr wird die Steuerhöhe hier nicht ausdrücklich genannt. Zudem ist in dieser Vorschrift von "Risiken" die Rede, was darauf hinweist, dass der Richtliniengeber eher von einer Gesamtbetrachtung der Be­förderung im Einzelfall ausgegangen ist. Demnach könnten als weitere Risiken die finanzielle Situation des potentiellen Steuerschuldners beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls oder die Anfälligkeit der beförderten Ware für Diebstahl und eine damit einhergehende Entstehung der Verbrauch­steuer nach Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a VStSystRL bei der Bemessung der Sicherheitsleistung in Betracht zu ziehen sein. Die Bewertung der vorhandenen Risiken hat das HZA bei der Festsetzung der Sicherheit vor Durchführung der Beförderung unter Steueraussetzung vorzunehmen.

Ein Grundsatz, dass die Sicherheit genau die Höhe einer möglicherweise ent­stehenden Steuer abzudecken hat, ist Art. 18 Abs. 1 VStSystRL demnach nicht zu entnehmen. Dementsprechend kann die Erbringung einer Sicherheitsleis­tung in genau dieser Höhe jedenfalls dann nicht konstitutiv für die Eröffnung des Steueraussetzungsverfahrens sein, wenn das HZA die Sicherheit nicht in dieser Höhe festgesetzt hat. Hat der Versender die Sicherheit in der vom HZA festgesetzten Höhe und Art und Weise vor Beginn der Beförderung geleistet, liegt eine ausreichende Sicherheitsleistung vor.

cc) Dafür, dass die Leistung einer Sicherheit in der Höhe der potentiellen Steuer für die wirksame Eröffnung des Steueraussetzungsverfahrens nicht konstitutiv ist, spricht ferner die Tatsache, dass der Abgangsmitgliedstaat ge­mäß Art. 18 Abs. 4 VStSystRL bei bestimmten Beförderungen verbrauchsteu­erpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung auf die Erbrin­gung einer Sicherheitsleistung verzichten kann, zum Beispiel bei Beförderun­gen ausschließlich im eigenen Gebiet. Der Richtliniengeber hat hiermit also Fälle geregelt, in denen ein Steueraussetzungsverfahren auch ohne Sicher­heitsleistung wirksam eröffnet werden kann.

dd) Zudem legen gemäß Art. 18 Abs. 1 VStSystRL die zuständigen Behörden des Abgangsmitgliedstaats die Bedingungen für die Sicherheit fest. Die Einzel­heiten der Sicherheitsleistung werden demnach nicht einheitlich im Unions­recht geregelt, sondern den Mitgliedstaaten überlassen, mit der Folge, dass sich die Art und Weise der Sicherheitsleistung je nach Abgangsmitgliedstaat unterscheiden kann. Auch dies spricht dafür, dass die Bewertung des Steuer­ausfallrisikos unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu erfolgen hat und die Leistung einer Sicherheit exakt in der Höhe der mög­licherweise entstehenden Steuer weder durch das Unionsrecht vorgegeben noch für die Eröffnung des Steueraussetzungsverfahrens konstitutiv ist.

b) Weiterhin ist auch den Vorgaben des Unionsrechts zur Durchführung des elektronischen Steueraussetzungsverfahrens nicht zu entnehmen, dass die Leistung einer Sicherheit in Höhe der möglicherweise entstehenden Steuer ei­ne konstitutive Voraussetzung für ein wirksames Steueraussetzungsverfahren ist.

Aufgrund der Ermächtigung in Art. 29 VStSystRL hat die Kommission Einzel­heiten zu den Meldungen geregelt, die im Rahmen des elektronisch durchzu­führenden Steueraussetzungsverfahrens abzugeben sind. Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 684/2009 müssen der Entwurf des e‑VD, der nach Art. 21 Abs. 2 VStSystRL an die zuständigen Behörden des Abgangsmitglied­staats zu übermitteln ist, und das e‑VD, dem anschließend ein administrativer Referenzcode zugewiesen wurde, den in Anh. I Tabelle 1 der Verordnung (EG) Nr. 684/2009 aufgeführten Anforderungen entsprechen (vgl. zum Erstellen des e‑VD auch § 16 der Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuerverordnung in der im Streitfall geltenden Fassung ‑‑SchaumwZwStV‑‑). Demnach ist in Feld Nr. 11a des e‑VD anhand eines Codes anzugeben, wer für die Erbringung der Sicherheitsleistung verantwortlich ist. Gegebenenfalls sind in Feld Nr. 12 des e‑VD weitere Angaben zum Sicherheitsleistenden erforderlich. Zur Höhe der Sicherheitsleistung sind hingegen im e‑VD keine Eintragungen vorgesehen.

Zudem erfolgt die Überprüfung der Angaben im Entwurf des e‑VD gemäß Art. 21 Abs. 3 Unterabs. 1 VStSystRL elektronisch und ist die Mitteilung des einzigen administrativen Referenzcodes gemäß Art. 21 Abs. 3 Unterabs. 3 VStSystRL allein an die Angaben im e‑VD geknüpft. Eine darüber hinausge­hende händische Überprüfung der Sicherheitshöhe im Einzelfall ist nicht vorge­sehen.

3. Dieses Ergebnis steht auch mit der Rechtsprechung des EuGH im Einklang. In seinem Urteil TanQuid Polska vom 24.03.2022 ‑ C‑711/20 (EU:C:2022:215, Rz 54) hat der EuGH zur Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25.02.1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaf­ten 1992, Nr. L 76, 1) ‑‑Richtlinie 92/12/EWG‑‑ entschieden, dass die Voraus­setzungen und Einzelheiten der Sicherheitsleistung von den zuständigen Be­hörden des Mitgliedstaats, in dem das Steuerlager zugelassen ist, festgelegt werden und dass diese Sicherheitsleistung für die gesamte Union gültig sein muss. Weiterhin hat der EuGH klargestellt, dass der Richtlinie 92/12/EWG nicht zu entnehmen ist, dass die zuständigen Behörden des Abgangsmitglied­staats den Inhalt der Sicherheit vor Einleitung der Beförderung der verbrauch­steuerpflichtigen Waren unter Steueraussetzung prüfen müssen oder dass sie in diesem Zusammenhang ihrer Beförderung zustimmen müssen, da diese Schritte den freien Verkehr der verbrauchsteuerpflichtigen Waren innerhalb der Union erheblich beeinträchtigen können. Daher ist die von den zuständigen Behörden des Abgangsmitgliedstaats vorzunehmende Kontrolle auf die Prüfung des formalen Bestehens einer solchen Sicherheitsleistung zu beschränken (EuGH-Urteil TanQuid Polska vom 24.03.2022 ‑ C‑711/20, EU:C:2022:215, Rz 58 und 59).

Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass der Inhalt der Sicherheit bei Er­öffnung des Steueraussetzungsverfahrens nicht geprüft wird. Liegt demnach eine Sicherheitsleistung in der vom HZA zuvor festgesetzten Höhe vor und wird der Sicherheitsleistende im Entwurf des e‑VD angegeben, sind die Vorga­ben der Verbrauchsteuersystemrichtlinie auch unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung erfüllt.

Soweit der EuGH in seinem Urteil TanQuid Polska vom 24.03.2022 ‑ C‑711/20 (EU:C:2022:215, Rz 61) auf die Deckung der mit der Beförderung verbunde­nen Risiken durch die Sicherheitsleistung hinweist, ist dies nicht dahingehend zu verstehen, dass die Höhe der Sicherheitsleistung zwingend der möglichen Steuerhöhe entsprechen muss und die zuständige Zollbehörde dies vor Validie­rung des e‑VD zu prüfen hätte. Denn unter Rz 54, auf die in Rz 61 verwiesen wird, führt der EuGH aus, dass die Festsetzung der Sicherheitsleistung durch die jeweiligen nationalen Zollbehörden erfolgt und in der Regel eine Sicherheit zu leisten ist. Somit hat der EuGH auch die Fälle in Betracht gezogen, in denen ein Steueraussetzungsverfahren ohne Sicherheitsleistung wirksam durchge­führt werden kann.

4. Die unionsrechtlichen Vorgaben zum Steueraussetzungsverfahren und zur Sicherheitsleistung wurden auch in die nationalen Vorschriften zur Durchfüh­rung des Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuergesetzes und in die Ver­fahrensanweisung der Zollverwaltung zur Beförderung unter Steueraussetzung übernommen.

a) Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 SchaumwZwStV, den das Bundesministerium der Finanzen auf der Grundlage von § 11 Abs. 6 SchaumwZwStG erlassen hat, sind die Höhe der als Sicherheit dienenden Bürgschaft und die Höhe der Barsi­cherheit "insbesondere" unter Berücksichtigung der möglichen Steuer zu be­stimmen. Die im Raum stehende Steuerhöhe ist demnach nur ein ‑‑wenn auch gewichtiges‑‑ Kriterium, das bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheit zu berücksichtigen ist.

Andererseits geht aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 3 Satz 1 SchaumwZwStV hervor, dass auch der Verordnungsgeber nicht allein die Höhe der möglicher­weise entstehenden Steuer im Blick hatte, sondern ‑‑den Vorgaben des Uni­onsgesetzgebers folgend‑‑ auch andere Risiken, die durch die Leistung einer Sicherheit abgesichert werden sollen.

b) Die oben dargestellten unionsrechtlichen Vorgaben hat die Zollverwaltung schließlich auch in die maßgebliche Verfahrensanweisung übernommen.

So sieht die Verfahrensanweisung zum EDV-gestützten Beförderungs- und Kontrollsystem für verbrauchsteuerpflichtige Waren ‑‑Excise Movement and Control System (EMCS)‑‑ ebenfalls den Fall vor, dass eine Beförderung unter Steueraussetzung ohne Sicherheitsleistung möglich ist. In diesem Fall ist in Feld Nr. 11a der Wert "0" einzutragen (vgl. Verfahrensanweisung zum IT-Ver­fahren EMCS, Ziff. 4.2.1 Abs. 4, Stand: 12.02.2025). Dies weist darauf hin, dass die Sicherheitsleistung auch danach nicht konstitutiv für die Wirksamkeit des Steueraussetzungsverfahrens ist. Weiterhin ist geregelt, dass der Entwurf des e‑VD beziehungsweise die vollständige Angabe aller im amtlich vorge­schriebenen Datensatz verlangten Pflichtfelder automatisiert geprüft werden (vgl. Verfahrensanweisung zum IT-Verfahren EMCS, Ziff. 4.2.1 Abs. 12, Stand: 12.02.2025). Die Prüfung, ob die geleistete Sicherheit ausreichend ist, um eine möglicherweise entstehende Steuer abzudecken, ist auch hier nicht vor­gesehen.

5. Ausgehend von diesen rechtlichen Grundlagen ist für den Schaumwein, den die Klägerin im Zeitraum vom 23.07.2018 bis zum 18.06.2019 aus ihrem Steuerlager im Steuergebiet in ein Steuerlager in Finnland befördert hatte, nicht durch dessen Entnahme aus dem Steuerlager der Klägerin gemäß § 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SchaumwZwStG Schaumweinsteuer entstanden, weil sich an die Entnahme aus dem Steuerlager jeweils ein Steueraussetzungsverfahren angeschlossen hat.

a) Die Klägerin war Inhaberin eines Steuerlagers für Schaumwein im Sinne von § 1 Abs. 2 SchaumwZwStG. Dementsprechend war sie gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a SchaumwZwStG berechtigt, Schaumwein unter Steuerausset­zung aus ihrem Steuerlager in das Steuerlager des Empfängers in Finnland zu befördern.

b) Die vom HZA zuvor bestimmte Sicherheit hat die Klägerin als fortgesetzte Barsicherheit ordnungsgemäß geleistet. Dass die von der Klägerin nach den Vorgaben des HZA geleistete Sicherheit nicht in vollem Umfang der möglicher­weise entstehenden Steuerschuld entsprochen hat, steht der wirksamen Er­öffnung der Steueraussetzungsverfahren nicht entgegen (s. oben).

c) Zu einem anderen Ergebnis führt nicht das vom HZA angeführte Senatsur­teil vom 10.11.2009 ‑ VII R 39/08 (BFHE 227, 546), in dem der Senat die Ent­stehung von Mineralölsteuer durch Entfernung des Mineralöls aus dem Steuer­lager der Versenderin bejaht hatte, weil der ausländische Abnehmer nicht be­zugsberechtigt war. Die an einem Steueraussetzungsverfahren Beteiligten wa­ren nach der der Senatsentscheidung zugrundeliegenden Rechtslage in § 15 Abs. 1 des Mineralölsteuergesetzes geregelt - das Pendant zu § 11 SchaumwZwStG. Im Gegensatz zu dem Erfordernis einer Sicherheitsleistung ergibt sich hieraus eindeutig, dass die Beteiligung von zum Steuerausset­zungsverfahren zugelassenen Personen Voraussetzung für die wirksame Eröff­nung eines Steueraussetzungsverfahrens ist. Über die Tragweite einer fehlen­den Sicherheitsleistung hat der Senat in der genannten Entscheidung nicht entschieden.

d) Der vom HZA angeführte Senatsbeschluss vom 09.04.2014 ‑ VII R 7/13 betraf eine Beförderung ohne die formgerechte Eröffnung eines Steuerver­sandverfahrens, weil für die Beförderung weder ein e‑VD noch ein für einen bestimmten Zeitraum noch zulässiges begleitendes Verwaltungsdokument vor­lag. Diese Entscheidung steht dem hier gefundenen Ergebnis somit ebenfalls nicht entgegen.

e) Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus dem Urteil des FG des Lan­des Sachsen-Anhalt vom 27.11.2024 ‑ 3 K 276/20 (Revision anhängig unter dem Aktenzeichen VII R 30/24). Dieser Entscheidung lag ein von dem vorlie­genden Streitfall insoweit abweichender Sachverhalt zugrunde, als dort über­haupt keine Sicherheit geleistet wurde.

6. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht nicht, weil der erkennende Senat die Auslegung der im Streitfall zu berücksichtigen­den Vorschriften der Verbrauchsteuersystemrichtlinie für offenkundig hält (vgl. EuGH-Urteile CILFIT vom 06.10.1982 ‑ C‑283/81, EU:C:1982:335, Rz 16, und Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi vom 06.10.2021 ‑ C‑561/19, EU:C:2021:799, Rz 33).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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