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BFH: Aussetzung der Vollziehung eines Grunderwerbsteuerbescheids; Verlängerung der Nachbehaltensfrist

Bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel, ob die Verlängerung der Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes von fünf auf zehn Jahre durch das Gesetz zur Än­derung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021 (BGBl I 2021, 926, BStBl I 2021, 838) auf Erwerbsvorgänge von Grundstücken Anwendung findet, die bereits vor dessen Inkrafttreten am 01.07.2021 erfolgt sind.

FGO § 69 Abs. 2 Satz 2 und 7, Abs. 3 Satz 1 und 3
GrEStG a.F. § 6 Abs. 3 Satz 2
GrEStG § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2, § 23 Abs. 18 und 24

BFH-Beschluss vom 10.4.2025, II B 54/24 (AdV) (veröffentlicht am 2.5.2025)

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 9.9.2024, 11 V 1325/24 A (GE) = SIS 24 18 01

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), eine GmbH, entstand durch Formwechsel vom …2023 aus einer im Jahr 2015 gegrün­deten OHG. Gesellschafter der Antragstellerin waren A, B und C.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom …2018 verpflichtete sich eine ebenfalls aus den Gesellschaftern A, B und C bestehende KG zur Einbringung zweier Grundstücke in die Antragstellerin, damals in ihrer Rechtsform einer OHG.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt ‑‑FA‑‑) sah den Rechts­vorgang vom …2018 als nach § 6 Abs. 3 Satz 1 des Grunderwerbsteuer­gesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (GrEStG a.F.) von der Steuer befreit an und erließ am 15.02.2018 einen entsprechenden Grunder­werbsteuerbescheid, in dem er die Grunderwerbsteuer auf 0 € festsetzte. In den Erläuterungen des Bescheids wurde darauf hingewiesen, dass die gewähr­te Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit entfalle, wenn sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesellschaft inner­halb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die andere Ge­samthand vermindere (§ 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F.).

Mit Schreiben vom 10.09.2021 wies das FA die Antragstellerin darauf hin, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergeset­zes vom 12.05.2021 die fünfjährige Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F. mit Wirkung ab dem 01.07.2021 auf zehn Jahre verlängert habe (§ 6 Abs. 3 Satz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Än­derung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021, BGBl I 2021, 986, BStBl I 2021, 838 ‑‑GrEStG‑‑). Diese Verlängerung gelte für alle Sachverhalte, für die die bisherige fünfjährige Frist ‑‑wie bei der Antragstellerin‑‑ vor dem Stichtag 01.07.2021 noch nicht abgelaufen sei (§ 23 Abs. 18 und 24 GrEStG).

Den Formwechsel vom …2023 sah das FA als rückwirkendes Ereignis an und setzte mit Änderungsbescheid vom 22.11.2023 die Grunderwerbsteuer auf … € fest.

Über den mit Schreiben vom 14.12.2023 eingelegten Einspruch hat das FA noch nicht entschieden.

Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA mit Schreiben vom 21.12.2023 ab.

Am 09.01.2024 zahlte die Antragstellerin die festgesetzte Grunderwerbsteuer.

Dem am 01.07.2024 beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Aufhebung der Vollziehung (AdV) gab das FG mit Beschluss vom 09.09.2024 ‑ 11 V 1325/24 A (GE) statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass bei summarischer Prüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen würden, da die zehnjährige Nachbehaltensfrist in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nach den einfachgesetzlichen Anwendungsvorschriften des § 23 Abs. 18 und 24 GrEStG auf den Erwerbsvorgang vom …2018 keine An­wendung finde.

Gegen die vom FG gewährte AdV wendet sich das FA mit seiner Beschwerde, die vom FG zugelassen wurde. Die Finanzverwaltung wolle ebenfalls abgelau­fene Fristen nicht wieder aufleben lassen. Seien Fristen am Stichtag 30.06. be­ziehungsweise 01.07.2021 aber noch nicht abgelaufen gewesen, so bestehe für entsprechende Vorgänge auch kein Vertrauensschutz. Das Ziel des Gesetz­gebers sei es gewesen, dass noch laufende Fristen von der gesetzlichen Ver­längerung auf zehn Jahre betroffen seien.

Das FA beantragt sinngemäß,
den Beschluss des FG vom 09.09.2024 ‑ 11 V 1325/24 A (GE) aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Aufhebung der Vollziehung abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde des FA als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die nach § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Be­schwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das FG die Vollziehung des angefoch­tenen Grunderwerbsteuerbescheids vom 22.11.2023 aufgehoben. Bei summa­rischer Prüfung bestehen ernsthafte Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit.

1. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teil­weise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefoch­tenen Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 2 Satz 7, Abs. 3 Satz 3 FGO; Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 19.02.2024 ‑ VII B 40/23 (AdV), BFH/NV 2024, 527, Rz 16).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungs­akts sind zu bejahen, wenn bei einer summarischen Überprüfung des Be­scheids neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, ge­gen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschieden­heit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der AdV gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage er­gibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechts­widrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit über­wiegen (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10.02.1967 ‑ III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, unter II.3.; z.B. BFH-Beschluss vom 27.05.2024 ‑ II B 78/23 (AdV), BStBl II 2024, 543, Rz 25).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Vollziehung des Grunderwerb­steuerbescheids vom 22.11.2023 aufzuheben. Der Senat teilt bei der gebote­nen summarischen Prüfung die ernstlichen Zweifel des FG an der Rechtmäßig­keit des Bescheids. Aus den Übergangsregelungen der Absätze 18 und 24 des § 23 GrEStG ist nicht eindeutig zu entnehmen, dass die durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021 (BGBl I 2021, 986, BStBl I 2021, 838) auf zehn Jahre verlängerte Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auf den streitigen Rechtsvor­gang vom …2018 anzuwenden ist.

a) § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F. wurde durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 12.05.2021 (BGBl I 2021, 986, BStBl I 2021, 838) dahingehend geändert, dass in der ab dem 01.07.2021 (Art. 2 dieses Gesetzes) geltenden Fassung die fünfjährige Nachbehaltensfrist bei dem Übergang eines Grundstücks von einer auf eine andere Gesamthand auf zehn Jahre verlängert wurde. Danach ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG in der ab dem 01.07.2021 geltenden Fassung § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG inso­weit nicht entsprechend anzuwenden, als sich der Anteil des Gesamthänders am Vermögen der erwerbenden Gesamthand innerhalb von zehn Jahren nach dem Übergang des Grundstücks von der einen auf die andere Gesamthand vermindert, mit der Folge, dass die Voraussetzungen für die Nichterhebung der Steuer rückwirkend im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 der Abgabenordnung entfallen (BFH-Urteil vom 12.01.2022 ‑ II R 4/20, BFHE 275, 380, BStBl II 2022, 521, Rz 16).

b) Der zeitliche Anwendungsbereich der Verlängerung der Nachbehaltensfrist auf zehn Jahre bestimmt sich nach § 23 Abs. 18 und 24 GrEStG. Aufgrund der Widersprüchlichkeit dieser Regelungen (gl.A. Behrens in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 23 Rz 79; Pahlke/Pahlke, Grunderwerbsteuerge­setz, 7. Aufl., § 23 Rz 75; Loose in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 23 Rz 118; Behrens/Seemaier, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2021, 348) bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steu­erfestsetzung.

aa) § 23 Abs. 18 GrEStG sieht als Übergangsregelung vor, dass § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG in der am 01.07.2021 geltenden Fassung ‑‑das heißt mit einer Nachbehaltensfrist von zehn Jahren‑‑ erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwen­den ist, die nach dem 30.06.2021 verwirklicht werden. Danach findet die Ver­längerung der Nachbehaltensfrist auf zehn Jahre im vorliegenden Fall keine Anwendung.

(1) Als Erwerbsvorgang im Sinne des § 23 Abs. 18 GrEStG ist der grundsätz­lich begünstigte Rechtsvorgang anzusehen und nicht das Ereignis, das die Min­derung des Anteils des Gesamthänders an der erwerbenden Gesamthand zur Folge hat (gl.A. Loose in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 23 Rz 118; vgl. auch BFH-Urteil vom 25.09.2013 ‑ II R 17/12, BFHE 243, 404, BStBl II 2014, 268, Rz 31, zu § 23 Abs. 8 Satz 1 GrEStG). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm, der mit dem Begriff "Erwerbsvorgänge" auf § 1 GrEStG und dessen amtliche Überschrift "Erwerbsvorgänge" Bezug nimmt. Für diese Auslegung sprechen auch die Gesetzesmaterialien. Diese führen im Hin­blick auf den als § 23 Abs. 18 GrEStG erlassenen Entwurf eines Absatzes 17 aus, dass die verlängerten Fristen "erstmalig für Erwerbsvorgänge im Sinne des § 1 GrEStG anzuwenden [sind], die nach Ablauf des 31. Dezember 2019 verwirklicht werden" (BTDrucks 19/13437, S. 15). § 23 Abs. 18 GrEStG ver­weist zudem auf § 6 Abs. 3 Satz 2 (i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 1) GrEStG. Letztere Vorschrift ist anwendbar auf den Übergang eines Grundstücks von einer Ge­samthand auf eine andere Gesamthand und somit auf einen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 GrEStG.

(2) Erwerbsvorgang im Sinne des § 23 Abs. 18 GrEStG war im vorliegenden Fall somit der Rechtsvorgang vom …2018, die Einbringung zweier Grund­stücke in die Antragstellerin in ihrer damaligen Rechtsform als OHG. Danach kann die Verlängerung der Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auf zehn Jahre nach § 23 Abs. 18 GrEStG keine Anwendung finden, da der Er­werbsvorgang vor dem 01.07.2021 stattfand.

(3) Bei Geltung der fünfjährigen Nachbehaltensfrist war die Steuerbegünsti­gung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG nicht wegen des Formwechsels vom …2023 rückgängig zu machen. Die fünfjährige Nachbehaltensfrist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F., die mit dem Einbringungsvorgang am …2018 zu laufen begann, war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen.

bb) Nach der Übergangsregelung des § 23 Abs. 24 GrEStG ist § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG in der am 01.07.2021 geltenden Fassung nicht anzuwenden, wenn die in § 6 Abs. 3 Satz 2 in der am 30.06.2021 geltenden Fassung (a.F.) geregelte Frist vor dem 01.07.2021 abgelaufen war. Nach dieser Regelung könnte die Verlängerung der Nachbehaltensfrist auf zehn Jahre im vorliegen­den Fall in Betracht kommen.

(1) Die Finanzverwaltung schließt aus § 23 Abs. 24 GrEStG, dass die zehnjäh­rige Nachbehaltensfrist in § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auch dann gilt, wenn der Erwerbsvorgang vor dem 01.07.2021 verwirklicht worden ist und bei Inkrafttreten der Änderungsvorschrift die fünfjährige Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F. noch nicht abgelaufen war (Gleich lautende Er­lasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung der §§ 5 und 6 des Grunderwerbsteuergesetzes vom 05.03.2024, BStBl I 2024, 410, Rz 124).

(2) Dies war vorliegend der Fall, da die fünfjährige Frist des § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG a.F. mit dem Rechtsvorgang vom …2018 zu laufen begann und am 01.07.2021 noch nicht abgelaufen war. Findet danach die zehnjährige Nachbehaltensfrist Anwendung, war die Frist beim Formwechsel der Klägerin am …2023 noch nicht abgelaufen. Dies hätte zur Folge, dass die Steuer­befreiung des § 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG rückwirkend entfiele.

cc) Die Übergangsregelung des § 23 Abs. 24 GrEStG steht offensichtlich im Widerspruch zur Anwendungsregelung des § 23 Abs. 18 GrEStG, die die Ver­längerung der Nachbehaltensfrist von fünf auf zehn Jahre bei Erwerbsvorgän­gen, die ‑‑wie vorliegend‑‑ vor dem 01.07.2021 stattgefunden haben, aus­schließt. Wie sich § 23 Abs. 24 GrEStG zu § 23 Abs. 18 GrEStG verhält, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aus diesem Grund bestehen ernstliche Zwei­fel, ob die Verlängerung der Nachbehaltensfrist auf zehn Jahre auf den am …2018 verwirklichten Einbringungsvorgang anwendbar ist und der Grund­erwerbsteuerbescheid vom 22.11.2023 rechtmäßig ist. Dies hat zur Folge, dass der Vollzug der Grunderwerbsteuerfestsetzung aufzuheben war.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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