UStG a.F. § 4 Nr. 16 Buchst. b
AO §§ 67, 365 Abs. 3
EGAO Art. 97 § 1c Abs. 3
EWGRL 388/77 Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b
KHG § 17b Abs. 6
BPflV §§ 7, 10
Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 13.11.2018, 5 K 5227/16
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Leistungen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) aus dem Betrieb eines privaten Krankenhauses im Jahr 2006 (Streitjahr) steuerfrei sind.
Die Klägerin betreibt ein privates Krankenhaus zur Diagnose, Therapie und Behandlung von …erkrankungen sowie … Krankheitsbilder. In ihrer zu einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung führenden Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2006 behandelte sie die Umsätze aus der Privatklinik als nach § 4 Nr. 16 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG a.F.) i.V.m. § 67 der Abgabenordnung (AO) steuerfrei.
Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den die bisherige Vorbehaltsfestsetzung ändernden Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 20.02.2012, mit dem die Steuerfreiheit der streitgegenständlichen Krankenhausumsätze versagt wurde. Im Einvernehmen mit der Klägerin sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im dafür maßgebenden Vorjahr (2005) nicht vorgelegen hätten, sodass alle Umsätze aus der Geschäftstätigkeit der Klinik im Streitjahr der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Die Klägerin habe in 2005 gegenüber ihren Patienten weder nach den Vorschriften der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Bundespflegesatzverordnung ‑‑BPflV‑‑) noch nach Fallpauschalen entsprechend dem Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz ‑‑KHEntgG‑‑) abgerechnet, sondern stattdessen eine "Vielzahl von Abrechnungsmodalitäten" genutzt und nicht nachweisen können, dass die von ihr gegenüber den Patienten abgerechneten Leistungen zu mindestens 40 % der gesamten Belegungstage die gegenüber den allgemeinen Krankenkassen zulässigen Abrechnungen nach der Bundespflegesatzverordnung und dem Krankenhausentgeltgesetz nicht überstiegen.
Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst wegen der Frage, ob die 40 %-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. gegen Unionsrecht verstößt. Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA aus hier nicht streitigen Gründen am 27.08.2015 einen Änderungsbescheid für 2006. Im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Zimmermann vom 15.11.2012 ‑ C‑174/11 (EU:C:2012:716) und die Folgeurteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.03.2015 ‑ XI R 8/13 (BFHE 249, 369, BStBl II 2016, 788) sowie XI R 38/13 (BFHE 249, 380, BStBl II 2016, 793) machte die Klägerin (erstmals) geltend, dass die Voraussetzungen des § 67 AO i.d.F. vom 01.10.2002 ‑‑a.F.‑‑ (BGBl I 2002, 3866) von ihr in 2005 erfüllt worden seien und legte hierzu Aufstellungen und Berechnungen zu den von ihr abgerechneten Pflegesätzen vor. Das FA wies den Einspruch der Klägerin am 22.08.2016 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2021, 583 veröffentlichten Urteil ab. Die Klägerin falle nicht in den Anwendungsbereich des § 67 Abs. 1 AO und habe auch die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 AO nicht erfüllt, weil sie unstreitig eine der Bundespflegesatzverordnung entsprechende Vergleichsberechnung der Pflegesätze auf Selbstkostenbasis im Wege der Vorauskalkulation der eigenen Selbstkosten nicht vorgenommen habe. Vielmehr habe sie erst nachträglich eine im Einspruchsverfahren vorgelegte Kalkulation anhand der Buchführung erstellt. Eine nachträglich vorgenommene Berechnung stehe nicht im Einklang mit den Bestimmungen der Bundespflegesatzverordnung und könne daher der Prüfung des § 67 Abs. 2 AO nicht zugrunde gelegt werden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO a.F.) und begründet dies wie folgt:
Entgegen der Auffassung des FG sei sie nach dem Wortlaut des § 67 AO a.F. nicht zur Vorauskalkulation ihrer Selbstkosten verpflichtet gewesen. An keiner Stelle sei gesetzlich geregelt, dass die Vergleichskalkulation der Pflegesätze nach Selbstkostengrundsätzen im Voraus erstellt werden müsse. Das vom FG herangezogene BFH-Urteil vom 02.10.2003 ‑ IV R 48/01 (BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363) sei nicht einschlägig, da es nicht zur Umsatzsteuer, sondern zur Gewerbesteuer ergangen sei. Auch im Urteil vom 26.08.2010 ‑ V R 5/08 (BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296) habe sich der BFH nicht zu der Frage geäußert, ob die "Vorauskalkulation" noch nach dem maßgeblichen Zeitraum erstellt werden könne. Nach dem zwischenzeitlich ergangenen BFH-Urteil vom 23.01.2019 ‑ XI R 15/16 (BFHE 263, 543) sei eine Vergleichskalkulation nach der Bundespflegesatzverordnung für Krankenhäuser in privater Trägerschaft nicht erforderlich, das Fehlen der Vergleichskalkulation nach Selbstkostengrundsätzen stehe somit dem Vorliegen steuerfreier Krankenhausleistungen nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 263, 543, Rz 59). Der XI. Senat habe zwar nur über eine Vergleichsberechnung nach dem Krankenhausentgeltgesetz entschieden und nicht, ob auch die Vergleichskalkulation nach der Bundespflegesatzverordnung nachträglich erstellt werden könne. Es seien aber keine sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung von solchen privaten Krankenhäusern ersichtlich, die nach der Bundespflegesatzverordnung abrechneten, zu solchen Krankenhäusern, die nach dem Krankenhausentgeltgesetz abrechneten.
Dieses Ergebnis werde durch die unionsrechtskonforme Auslegung des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Richtlinie 77/388/EWG) gestützt. Danach dürfe die Umsatzsteuerbefreiung für private Einrichtungen nur versagt werden, wenn diese ihre Leistungen nicht unter in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbringen. Ob die Kalkulation nach der Bundespflegesatzverordnung vor oder nach dem maßgeblichen Zeitraum erstellt werde, habe keinen Einfluss auf die sozialen Bedingungen der Leistungserbringung.
Hilfsweise berufe sie sich unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 13 Teil A Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Danach sei die Berücksichtigung einer nachträglich erstellten Vergleichskalkulation geboten. Es widerspreche dem Neutralitätsgrundsatz, wenn die Steuerbefreiung nur deswegen versagt werde, weil sie die Vergleichsberechnung nach dem maßgeblichen Veranlagungszeitraum erstellt habe. Die Bestimmungen der Bundespflegesatzverordnung hätten lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung für die Steuerbefreiung und dürften daher die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung nicht unmöglich machen. Mit Unionsrecht sei es nicht vereinbar, wenn die Vergleichbarkeit nur anhand einer Vorauskalkulation, nicht aber anhand einer auf tatsächlichen Zahlen beruhenden Vergleichsberechnung nachgewiesen werden könne. Darüber hinaus sei es mit dem Neutralitätsgrundsatz unvereinbar, wenn zwar Krankenhäuser in privater Trägerschaft, die nach dem Krankenhausentgeltgesetz abrechnen, die Steuerbefreiung auch ohne Vorauskalkulation der Selbstkosten in Anspruch nehmen dürften, nicht aber Krankenhäuser, die ‑‑so wie sie‑‑ nach Pflegesätzen abrechneten.
Die Klägerin beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die von der Klägerin vorgelegte Kalkulation als Maßstab ihrer Pflegesätze habe den Vorgaben der Bundespflegesatzverordnung nicht entsprochen. Die bereits im Einspruchsverfahren erhobenen Zweifel an der vorgabegemäßen Berechnung nach der Bundespflegesatzverordnung habe die Klägerin nicht behoben. Wenn sie nach den Vorschriften der Bundespflegesatzverordnung mit den anderen Krankenhäusern verglichen werden wolle, müsse sie auch die gleichen Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehöre auch die Vorauskalkulation.
Die Klägerin müsse ihre Entgelte jedoch mit denen nach den Fallpauschalen des Krankenhausentgeltgesetzes vergleichen, da nahezu alle anderen Krankenhäuser in 2006 nach Fallpauschalen abrechnen mussten. Im Einspruchsverfahren habe die Klägerin lediglich Vergleichsrechnungen nach Fallpauschalen für einen Teil ihrer Leistungen und nur als Durchschnittsberechnungen (nicht für den Einzelfall) vorgelegt. Darüber hinaus seien die in den Berechnungen angesetzten Fallpauschalen nicht überprüfbar, weil grundsätzlich mit jedem Krankenhaus gesonderte Fallpauschalen vereinbart wurden, die auf die Klägerin nicht ohne weiteres übertragbar seien.
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat unter Verstoß gegen § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO entschieden, dass die Steuerfreiheit der Leistungen eines privaten Krankenhauses in 2006 eine Vorauskalkulation der Selbstkosten erforderte.
1. Das angegriffene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG hat in seinem Urteil verfahrensfehlerhaft über den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 20.02.2012 entschieden, obwohl der während des Einspruchsverfahrens erlassene Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2006 vom 27.08.2015 gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde (BFH-Beschluss vom 23.04.2009 ‑ X B 43/08, BFH/NV 2009, 1443, unter II.2.b cc). Einer Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO bedarf es indes insoweit nicht. Nach der Rechtsprechung des BFH ist das Übersehen der Änderung des Verfahrensgegenstands ausnahmsweise unbeachtlich, wenn ‑‑wie hier‑‑ durch den Änderungsbescheid keine neuen Streitpunkte eingeführt worden sind (vgl. zur Parallelvorschrift des § 68 FGO: BFH-Beschluss vom 26.03.2021 ‑ IX B 45/20, BFH/NV 2021, 767, Rz 22). Es widerspräche dem Sinn und Zweck des § 68 Satz 1 FGO und damit auch des § 365 Abs. 3 AO, die Vorentscheidung allein deswegen aufzuheben, um der Vorinstanz auf diese Weise Gelegenheit zu geben, den Änderungsbescheid datumsmäßig zu erfassen (BFH-Beschluss vom 29.08.2003 ‑ II B 70/03, BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944, unter II.1.). In solchen Fällen reicht ‑‑aus prozessökonomischen Gründen‑‑ eine Richtigstellung in der Rechtsmittelentscheidung aus (BFH-Beschluss vom 07.08.2008 ‑ I B 161/07, BFH/NV 2008, 2053, unter II.2.a). Danach bezieht sich die Entscheidung des FG auf den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2006 vom 27.08.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.08.2016.
2. Rechtsfehlerhaft hat das FG entschieden, dass § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO im Streitjahr 2006 eine Vorauskalkulation der Selbstkosten voraussetzt.
a) Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. waren steuerfrei "die mit dem Betrieb der Krankenhäuser ... eng verbundenen Umsätze, wenn ... bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt ..." wurden.
§ 67 AO in seiner durch das Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28) mit Rückwirkung auf den 01.01.2003 geänderten Fassung lautet:
"(1) Ein Krankenhaus, das in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 des Krankenhausentgeltgesetzes, § 10 der Bundespflegesatzverordnung) berechnet werden.
(2) Ein Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fällt, ist ein Zweckbetrieb, wenn mindestens 40 vom Hundert der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach Absatz 1 berechnet wird."
Unionsrechtliche Grundlage dieser ‑‑bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden‑‑ Umsatzsteuerbefreiung war im Streitjahr Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten "die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze" von der Steuer. Handelt es sich bei dem Steuerpflichtigen, der diese Leistungen erbringt, nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, sind diese Umsätze nur steuerfrei, wenn sie "unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden".
b) Im Streitfall hat das FG zwar zu Recht entschieden, dass ‑‑wovon auch die Beteiligten ausgehen‑‑ eine Steuerfreiheit der von der Klägerin erbrachten Krankenhausleistungen nicht aus § 67 Abs. 1 AO folgt. Rechtsfehlerhaft hat das FG aber eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 Abs. 2 AO wegen Fehlens einer Vergleichsberechnung der Pflegesätze auf Selbstkostenbasis im Wege der Vorauskalkulation verneint.
aa) Zur Gleichstellung von Krankenhäusern, die ‑‑wie die Klägerin‑‑ nicht dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung unterliegen, mit den nach § 67 Abs. 1 AO begünstigten Krankenhäusern war vor Einführung von Fallpauschalen entscheidend, dass das Krankenhaus auf Selbstkostenbasis abrechnet. Dies erforderte eine Vorauskalkulation der eigenen Selbstkosten (Senatsurteil in BFHE 231, 298, BStBl II 2011, 296, Rz 30, unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 204, 80, BStBl II 2004, 363, unter 1.c der Entscheidungsgründe). Denn nur auf diese Weise waren die berechneten Entgelte eines privaten Krankenhauses mit den im Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung festzusetzenden Pflegesätzen vergleichbar (BFH-Urteil in BFHE 263, 543, Rz 60).
bb) Durch Art. 2 des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.04.2002 ‑‑Fallpauschalengesetz‑‑ (BGBl I 2002, 1412) wurde das sog. DRG-Vergütungssystem eingeführt, wonach stationäre Leistungen in Fallpauschalen zu berechnen sind. Hierzu regelte § 17b Abs. 6 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz) i.d.F. des Fallpauschalengesetzes, dass dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser verbindlich zum 01.01.2004 eingeführt wurde. Seitdem werden von der Bundespflegesatzverordnung nur noch Einrichtungen der Erwachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie (psychiatrische Krankenhäuser und Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern) gemäß § 10 BPflV (bis 31.12.2012) bzw. gemäß § 7 BPflV (seit 01.01.2013) erfasst (vgl. hierzu Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 67 AO Rz 6 f.).
cc) Aus dieser Änderung des Vergütungssystems folgt, dass das Fehlen einer Vorauskalkulation nach Selbstkostengrundsätzen der Steuerfreiheit der Krankenhausleistungen nicht mehr entgegensteht. Denn nach der Änderung des Vergütungssystems auf die Abrechnung nach Fallpauschalen waren von den Vergleichs-Krankenhäusern des § 67 Abs. 1 AO weder Pflegesätze zu ermitteln noch konnte ein Vergleich mit diesen Krankenhäusern anhand solcher aufgrund einer Vorauskalkulation der Selbstkosten ermittelten Pflegesätze erfolgen. Vielmehr sind seitdem die Fallpauschalen mit denen eines Krankenhauses im Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes zu vergleichen (BFH-Urteil in BFHE 263, 543, Rz 61). Daher erfordert die mit § 67 Abs. 2 AO bezweckte Gleichstellung der Krankenhäuser mit denen i.S. des § 67 Abs. 1 AO auch im Streitfall keinen Vergleich von vorauskalkulierten Selbstkosten mehr, sondern an ihre Stelle tritt ein Vergleich auf Basis der Fallpauschalen.
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die auf den 01.01.2003 bezogene rückwirkende Änderung des § 67 Abs. 1 AO (s. oben II.2.a) jedenfalls für das hier vorliegende Streitjahr nicht verfassungswidrig.
aa) Die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ziehen solchen Hoheitsakten enge Grenzen, die belastend in verfassungsmäßig verbürgte Rechtsstellungen eingreifen (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 10.04.1984 ‑ 2 BvL 19/82, BVerfGE 67, 1, unter B.III.1., und vom 08.04.2004 ‑ 2 BvR 1811/03 , BVerfGK 3, 147, unter III.1.c aa). Demgemäß ist die Verfassungsmäßigkeit eines rückwirkenden Gesetzes nur dann fraglich, wenn es sich um ein den Bürger belastendes Gesetz handelt (BVerfG-Beschluss vom 17.12.2013 ‑ 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz 63). Im Übrigen geht das BVerfG sogar von einer Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen aus, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen und diese erwarten mussten (Beschluss in BVerfGE 135, 1, Rz 65).
bb) Im Streitfall ergibt sich danach aus einem Vergleich der zunächst geltenden mit der rückwirkenden Regelung des § 67 Abs. 1 AO, dass die Rückwirkung für die Klägerin keine belastende Wirkung hatte. Denn die rückwirkende Änderung eröffnete der Klägerin ‑‑ebenso wie den unter § 67 Abs. 1 AO fallenden Krankenhäusern‑‑ erst (wieder) die Möglichkeit der Umsatzsteuerfreiheit ihrer Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. Es handelte sich lediglich um eine letztlich nur redaktionell wirkende Änderung der Gesetzesfassung, die die steuerrechtliche Definition des Zweckbetriebes Krankenhaus in § 67 AO an die Entwicklung im Krankenhausrecht anpasste (zutreffend FG Baden-Württemberg, Urteil vom 12.04.2011 ‑ 3 K 526/08, EFG 2011, 1824, Rz 29). Darüber hinaus musste mit einer rückwirkenden Änderung des § 67 AO gerechnet werden.
(1) § 67 Abs. 1 AO a.F. knüpfte das Vorliegen eines in den Anwendungsbereich der Bundespflegesatzverordnung fallenden Krankenhauses als Zweckbetrieb daran, dass mindestens 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfielen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§§ 11, 13 und 26 BPflV) berechnet wurden.
(2) Seit 2004 wurden die stationären Leistungen der Krankenhäuser allerdings grundsätzlich in Fallpauschalen nach dem Krankenhausentgeltgesetz berechnet. Von der Bundespflegesatzverordnung, auf die § 67 Abs. 1 AO a.F. verwies, waren nur noch Leistungen von psychiatrischen Krankenhäusern sowie Einrichtungen für Psychosomatik und Psychotherapie erfasst.
Die bezweckte steuerrechtliche Privilegierung stationärer Leistungen von (allgemeinen) Krankenhäusern lief aufgrund des fehlenden Verweises auf das Krankenhausentgeltgesetz in § 67 AO a.F. somit weitgehend leer (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 67 AO Rz 6). § 67 AO a.F. bot demnach keine Grundlage mehr für die Steuerbegünstigung von Krankenhäusern (BTDrucks 16/2712, S. 79 zu Nr. 7 (§ 67)). Dies betraf auch die Umsätze der Klägerin aus dem Betrieb ihres Krankenhauses. Da es im Streitjahr ‑‑von Einrichtungen der Erwachsenen- sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie abgesehen‑‑ keine Krankenhäuser gab, die nach der Bundespflegesatzverordnung abrechneten, fehlte es bereits an Vergleichskrankenhäusern als Maßstab für die Berechnung der 40 %-Sozialquote. Für die von der Klägerin beanspruchte Steuerfreiheit nach § 67 Abs. 2 AO a.F. gab es daher keine Rechtsgrundlage.
(3) Zur Behebung des legislativen Versäumnisses, dass die nach der Normstruktur des § 67 AO erforderliche Anpassung des Zweckbetriebsbegriffs an die krankenhausrechtliche Rechtsentwicklung nicht rechtzeitig vorgenommen wurde, kam es durch Art. 11 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb JStG 2007 in Art. 97 § 1c des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) zur Einfügung eines zusätzlichen Absatzes 3, wonach die Änderung des § 67 AO bereits "ab dem 1. Januar 2003 anzuwenden" war.
Seit dieser Änderung verweist § 67 Abs. 1 AO für das Vorliegen eines Zweckbetriebs darauf, dass mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 KHEntgG, § 10 BPflV) berechnet werden. Damit wurde der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 1 AO wieder für allgemeine Krankenhäuser eröffnet, die seit 2004 nach Fallpauschalen abrechnen. Dies hat zur Folge, dass nunmehr auch zugunsten der Klägerin eine Rechtsgrundlage dafür vorhanden ist, auf der Grundlage eines Vergleichs von Fallpauschalen die Steuerfreiheit ihrer Umsätze zu erlangen.
3. Mangels Spruchreife ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.
a) Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 AO vorliegen, da das FG weder Feststellungen zur Höhe der von der Klägerin abgerechneten Entgelte (Fallpauschalen) getroffen noch diese mit den im Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes für allgemeine Krankenhausleistungen abrechenbaren Entgelten nach § 7 KHEntgG verglichen hat. Das FG wird diese Feststellungen und Vergleiche im zweiten Rechtsgang nachzuholen und in diesem Zusammenhang auch zu prüfen haben, ob mindestens 40 % der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfielen, bei denen die abgerechneten Entgelte nicht höher waren. Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, kann hierfür auch von Bedeutung sein, ob vergleichbare Bedingungen im Hinblick auf die Finanzierung von Investitionskosten vorliegen.
b) Nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. ist für den Vergleich zwar auf das Vorjahr (hier: 2005) abzustellen. Aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit dieser Regelung ergibt sich eine Steuerbefreiung jedoch unter Berücksichtigung des Unionsrechts auch dann, wenn die Voraussetzungen im Streitjahr 2006 erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 263, 543, Rz 70).
4. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zum Ergebnis kommen, dass die Klägerin die Einhaltung der Quote von 40 % nicht nachgewiesen hat, wird es auch zu prüfen haben, ob eine (ggf. partielle) Steuerfreiheit der Krankenhausleistungen unter direkter Berufung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG in Betracht kommt. Im Anschluss an das EuGH-Urteil Zimmermann (EU:C:2012:716) geht der BFH zwar von einer Vereinbarkeit der 40 %-Quote mit Unionsrecht aus (BFH-Urteile in BFHE 249, 369, BStBl II 216, 788, sowie in BFHE 249, 380, BStBl II 2016, 793), Zweifel an dieser Auffassung könnten sich jedoch aus dem EuGH-Urteil Idealmed III vom 05.03.2020 ‑ C‑211/18 (EU:C:2020:168) ergeben (Lippross, Neue Wirtschafts-Briefe 2021, 404 ff.; Stahlschmidt, Der Steuerberater 2021, 214 ff.; Klenk, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2020, 490, 493; Wüst in Wäger, UStG, 2. Aufl., § 4 Nr. 14 Rz 222; Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG Rz 51). In diesem Zusammenhang wird das FG auch das EuGH-Urteil I (Exonération de TVA des prestations hospitalières) vom 07.04.2022 ‑ C‑228/20 (EU:C:2022:275, Rz 60 ff.) sowie die BFH-Urteile vom 23.10.2014 ‑ V R 20/14 (BFHE 248, 376, BStBl II 2016, 785), in BFHE 249, 380, BStBl II 2016, 793 und in BFHE 263, 543 zu berücksichtigen haben.
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
„Vielen Dank für die stets freundliche und konstruktive Betreuung durch Ihr Haus“
Horst Flick, Groß- und Konzernbetriebsprüfer in Hessen
„Irgendwann innerhalb dieser 20 Jahre habe ich es einmal mit einem anderen Anbieter versucht. Das war aber gleich wieder vorbei. Nachher wusste ich SIS erst richtig zu schätzen.“
Brigitte Scheibenzuber, Steuerberaterin, 84137 Vilsbiburg
„Ihre Datenbank ist eigentlich schier unerschöpflich und ich arbeite sehr gern damit. Ein großes Lob für die leichte Handhabung, die vielfachen Suchmöglichkeiten und überhaupt.“
Ingrid Nigmann, Kanzlei Dipl.-Kfm. Georg-Rainer Rätze, 39112 Magdeburg
„Wir benutzen mit größter Zufriedenheit Ihre Datenbank, sie stellt wirklich eine enorme Erleichterung im täglichen Arbeitsleben dar.“
Schneider, Siebert & Kulle, Partnerschaftsgesellschaft, 60486 Frankfurt
„Ich möchte nicht versäumen, Sie für die ‘SteuerMail’ zu loben. Die Aktualität und die Auswahl der Themen ist wirklich sehr gut.“
Frank Zoller, Rechtsanwalt und Steuerberater, 75179 Pforzheim
„Sie haben offensichtlich die Bedürfnisse des steuerberatenden Berufs bei seiner Arbeit richtig eingeschätzt. Die Zuordnung der verschiedenen Dokumente zur jeweiligen Rechts-Vorschrift ist schlichtweg genial. Auch der Hinweis auf weitere Kommentare und Aufsätze ist außerordentlich wertvoll.“
Willi Besenhart, Steuerberater, 81739 München
"Es macht wirklich Spaß mit Ihrer Datenbank zu arbeiten."
Robert Kochs, Steuerberater, 52074 Aachen
"Ich bin sehr zufrieden. Die Datenbank ist äußerst hilfreich, Preis-Leistungsverhältnis stimmt."
Erika Dersch, Steuerberaterin, 82431 Kochel am See
"Bin von Anfang an begeisterter Anwender und möchte SIS nicht mehr missen."
Harald Dörr, Steuerberater, 63571 Gelnhausen
"Die SIS-Datenbank ist hervorragend; m.E. besser als die von den Finanzbehörden in BW verwendete Steuerrechtsdatenbank."
Wolfgang Friedinger, 89077 Ulm
"Sehr gut ist die SteuerMail mit den Anlagen und die Internetseite mit den aktuellen Themen!"
Karin Pede, IHR-ZIEL.DE GmbH, 91320 Ebermannstadt
"Mit Ihrer SIS-Datenbank bin ich seit Jahren sehr glücklich, hat mir schon sehr viel geholfen und der Preis ist nach wie vor sehr zivil für diese feine Geschichte."
G. Grisebach, Steuerberaterin
"Auf vieles kann man verzichten - auf SIS niemals! Herzlichen Glückwunsch zur aktuellen SIS-Datenbank, vielen Dank für Ihren äußerst aktuellen Informations-Service"
Friedrich Heidenberger, Steuerberater, 90530 Wendelstein
"Ihre Datenbank ist konkurrenzlos benutzerfreundlich."
Godehard Wedemeyer, 47807 Krefeld
"Ich bin sehr zufrieden - rundum ein Lob von meiner Seite. Ich nutze die SIS-Datenbank schon seit vielen Jahren und finde sie sehr, sehr gut."
Reinhard Geiges, Finanzbeamter, 70173 Stuttgart
"Herzlichen Dank für die schnelle Antwort. Das funktioniert, wie alles bei Ihnen, wunderbar. An dieser Stelle mal ein großes Lob an das gesamte Team. Ich bin wirklich froh, dass es Sie gibt."
Uwe Lewin, Geschäftsführer Exacta Steuerberatungs GmbH, 07546 Gera