Bezug: TOP 4 der Sitzung AO II/2022
Die mit dem Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021, BGBl. I S. 882, verbundene Reform der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften des Betreuungsrechts ist auf das Ziel ausgerichtet, im Vorfeld und innerhalb der rechtlichen Betreuung eine konsequent an der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen orientierte Anwendungspraxis zu gestalten, die den Betroffenen im Wege der Unterstützung zur Ausübung seiner rechtlichen Handlungsfähigkeit befähigt.
Die zentralen Normen des Betreuungsrechts zu den Voraussetzungen der Bestellung eines rechtlichen Betreuers, zu den Aufgaben und Pflichten des Betreuers im Verhältnis zum Betreuten und zu dessen Befugnissen im Außenverhältnis wurden dazu mit Wirkung ab 1. Januar 2023 grundlegend überarbeitet, um die Vorgaben von Artikel 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. 2008 II S. 1419, 1420; UN-Behindertenrechtskonvention) deutlicher im Betreuungsrecht zu verankern. Das am 1. Januar 2023 in Kraft tretende Gesetz enthält dazu neben verschiedenen steuerverfahrensrechtlich relevanten Änderungen des BGB und des § 53 ZPO auch Änderungen des § 6 VwZG sowie des § 79 Abs. 2 und des § 171 Abs. 11 Satz 2 AO. Aus diesem Grund sind die Regelungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung anzupassen oder zu ergänzen.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 31. Januar 2014 (BStBl I S. 290), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 12. Januar 2022 - IV A 3 - S 0062/21/10007 :001 - (BStBl I S. 82) geändert worden ist,
mit Wirkung ab 1. Januar 2023
wie folgt geändert:
1. Nach der Regelung zu § 78 AO wird folgende neue Regelung zu § 79 AO eingefügt:
„AEAO zu § 79 – Handlungsfähigkeit:
2. Die Regelung zu § 122 AO wird wie folgt geändert:
a) Nr. 2.2.4 wird wie folgt gefasst:
„2.2.4 Kann ein Volljähriger seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen und beruht dies auf einer Krankheit oder Behinderung, so bestellt das Betreuungsgericht nach § 1814 Abs. 1 BGB für ihn einen rechtlichen Betreuer (Betreuer). Der Betreuer ist gesetzlicher Vertreter des Betreuten i. S. d. § 34 Abs. 1 AO.
Soweit bzw. solange der Betreuer gegenüber der Finanzbehörde noch keine Erklärungen nach § 1823 BGB und/oder § 53 Abs. 2 ZPO abgegeben hat, ist ein dem Betreuten selbst bekannt gegebener Bescheid wirksam.
Hat der Betreuer entweder von seiner Vertretungsmacht nach § 1823 BGB Gebrauch gemacht oder eine Ausschließlichkeitserklärung nach § 53 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 79 Abs. 3 AO abgegeben, sind Bescheide ab diesem Zeitpunkt ausschließlich dem Betreuer als Bekanntgabeadressaten bekannt zu geben. Inhaltsadressat bleibt der Betreute (BFH-Beschluss vom 10. 5. 2007, VIII B 125/06, BFH/NV S. 1630).
Wird der Bescheid nach Abgabe einer Ausschließlichkeitserklärung dem Betreuten bekannt gegeben, ist er unwirksam; eine Heilung des Bekanntgabemangels ist nicht möglich (vgl. Nr. 4.1.3 des AEAO zu § 122).“
b) Nach Nr. 3.4 wird folgende neue Nr. 3.5 eingefügt:
„3.5 Zustellung bei gerichtlich bestellter Betreuung
Die Zustellung hat gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VwZG an den gerichtlich bestellten Betreuer zu erfolgen. Dem Betreuten ist eine Zweitschrift des zugestellten Dokuments zu übermitteln (§ 6 Abs. 1 Satz 3 VwZG).“
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
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