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BFH: Notwendige Beiladung der Erben eines im Revisionsverfahren verstorbenen beizuladenden Gesellschafters

  1. Die Erben eines gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung notwendig beizuladenden ehemaligen Gesellschafters, der während des Revisionsverfahrens verstirbt, sind notwendig beizuladen.
  2. Die Erben sind auch dann notwendig beizuladen, wenn der Rechtsstreit die Zeit bis zum Eintritt der Erbfolge betrifft, sie nach dem Erbfall aber nicht selbst Gesellschafter der klagenden Personengesellschaft werden.
  3. Das Revisionsverfahren wird aufgrund des Todes eines notwendig Beizula­denden während des Verfahrens nicht unterbrochen.

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 3, § 155
ZPO § 239 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 4 Satz 2

BFH-Urteil vom 5.9.2023, VIII R 31/20 (veröffentlicht am 11.1.2024)

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 26.11.2020, 9 K 2236/18 F = SIS 21 00 85

I. Streitig ist, ob für die in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG als Steuerberatungsgesellschaft gegründete Klägerin und Revisions­klägerin (Klägerin) für das Jahr 2016 (Streitjahr) Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb gesondert und einheitlich festzustellen sind.

Gesellschafter der Klägerin im Streitjahr waren nach § 5 des Gesellschaftsver­trags der Klägerin die Z Steuerberatungsgesellschaft mbH (Bei­geladene) als Komplementärin ohne Beteiligung am Gewinn, Verlust und Ge­sellschaftsvermögen, als weiterer Komplementär Herr Steuerberater A, der in Höhe von 99,9 % am Gewinn und am Vermögen der Klägerin beteiligt war und Frau Steuerberaterin B, die als Kommanditistin in Höhe von 0,1 % am Gewinn, Verlust und Gesellschaftsver­mögen beteiligt war. A war im Streitjahr zugleich Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beigeladenen.

Geschäftsgegenstand der Klägerin war nach § 2 des Gesellschaftsvertrags die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen und die Ausübung damit ver­einbarer Tätigkeiten entsprechend § 33 i.V.m. § 57 Abs. 3 des Steuerbera­tungsgesetzes einschließlich der Treuhandtätigkeit. Das im Streitjahr maßgeb­liche Geschäftsjahr lief als Rumpfgeschäftsjahr von deren Eintragung im Han­delsregister am 29.11.2016 bis zum 31.12.2016 (§ 4 Abs. 2 des Gesell­schaftsvertrags).

Im Streitjahr waren A und die Beigeladene für die Klägerin jeweils einzelver­tretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreit. A und die Beigeladene waren als persönlich haftende Ge­sellschafter jeweils auch einzeln geschäftsführungs- und vertretungsbefugt (§ 9 i.V.m. § 10 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags). Für den Fall, dass bei der Willensbildung zu Geschäftsführungsmaßnahmen innerhalb der Geschäftsführung keine Einigkeit erzielt werden konnte, waren die Stimmen der Steuerberater unter den persönlich haftenden Gesellschaftern ausschlaggebend. A und die Beigeladene durften nach § 11 des Gesellschaftsvertrags zudem nicht in ihrer Unabhängigkeit und Freiheit zu pflichtgemäßem Handeln beeinträchtigt werden.

Nach § 11 des Gesellschaftsvertrags hatten die Beigeladene und A die Ge­sellschafterversammlungen der Klägerin einzuberufen. Die Beigeladene war in den Gesellschafterversammlungen jedoch nicht stimmberechtigt, da nach dem Gesellschaftsvertrag nur je angefangene 100,00 € der Festeinlage eine Stimme in der Gesellschafterversammlung gewährt wurde und die Beigeladene keine Festeinlage leisten musste und auch nicht geleistet hatte.

A und die Beigeladene hatten als persönlich haftende Gesellschafter der Klä­gerin den Jahresabschluss für das abgelaufene Geschäftsjahr festzustellen (§ 12 des Gesellschaftsvertrags). Der Gewinn war nur zwischen B und A quotal zu verteilen. Die Beigeladene nahm am Ergebnis nicht teil.

Im Fall der Auflösung der Klägerin waren A und die Beigeladene als Liquida­toren bestimmt, soweit nicht durch Beschluss der Gesellschafterversammlung besondere Liquidatoren bestellt würden (§ 15 des Gesellschaftsvertrags).

Mit ihrer aktiven Geschäftstätigkeit als Steuerberatungsgesellschaft begann die Klägerin erst nach dem Streitjahr im März 2017.

Im Bescheid zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr vom 13.04.2018 wurden A (Beteiligung 99,9 %), die Beigela­dene (Beteiligung 0 %) und B (Beteiligung 0,1 %) als Feststellungsbeteiligte behandelt. Als Einkunftsart der Klägerin wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt. Es wurden ein negativer laufender Gesamthandsgewinn in Höhe von 689,62 € und Sonderbetriebseinnahmen des A in Höhe von 1,22 € fest­gestellt. Der negative laufende Gesamthandsgewinn wurde an B und an A quotal verteilt.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) sah die Beigela­dene als Mitunternehmerin der Klägerin an. Da die Beigeladene kraft Rechts­form gemäß § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele, sei sie als berufsfremde, nicht freiberuflich tätige Mit­unternehmerin der Klägerin zu qualifizieren. Dies schließe die Erzielung und Feststellung von Einkünften aus selbständiger Arbeit auf Ebene der Klägerin aus. Die Begründung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 204 mitgeteilt.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt im Hinblick auf die Einordnung der Beigeladenen als Mitunternehmerin der Klägerin im Streitjahr die Verletzung materiellen Bundesrechts.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 26.11.2020 ‑ 9 K 2236/18 F sowie die Ein­spruchsentscheidung vom 20.07.2018 und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr vom 13.04.2018 dergestalt zu ändern, dass Einkünfte aus selbständiger Arbeit gesondert und einheitlich festgestellt werden.

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Beigeladene trat bereits am 10.04.2018 als Komplementärin wieder aus der Klägerin aus. Nach der Zustellung des FG-Urteils am 10.12.2020 wechselte A zum 30.12.2020 von der Stellung als Komplementär in die Stellung eines Kommanditisten der Klägerin. B übertrug ihren Mitunternehmeranteil zum 30.12.2020 auf A und schied aus der Klägerin aus, sodass A ab diesem Zeitpunkt alleiniger Kommanditist der Klägerin war. (Alleinige) Komplementä­rin der Klägerin war seit dem 30.12.2020 die wieder in die Klägerin eingetre­tene Beigeladene.

A übertrug im Jahr 2021 seinen Kommanditanteil auf die Y Familienstif­tung als neue alleinige Kommanditistin. A verstarb während des Revisions­verfahrens am 27.04.2023. Zum Zeitpunkt des Todes des A bestand die Klä­gerin somit nur noch aus der Beigeladenen als Komplementärin und der Y Familienstiftung als Kommanditistin. Die Erben des A sind nicht bekannt.

II. Die Revision ist begründet.

B und die (derzeit unbekannten) Erben des A sind zum Verfahren gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) jeweils notwendig beizuladen. Der Senat übt das ihm nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO eingeräumte Ermessen dahingehend aus, die erforderlichen notwendigen Beiladungen nicht selbst vorzunehmen und den Streitfall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

1. B und A sind als nach dem Streitjahr aus der Klägerin ausgeschiedene Gesellschafter gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren notwendig beizuladen. Da A während des Revisionsverfahrens verstorben ist, sind dessen (derzeit unbekannte) Erben als Gesamtrechtsnachfolger notwen­dig beizuladen.

a) Die Feststellung zur Art der auf Ebene der Mitunternehmerschaft erzielten Einkünfte gehört zu den selbständig anfechtbaren Feststellungen eines Ge­winnfeststellungsbescheids (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 04.07.2007 ‑ VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53, unter II.1. [Rz 21]; vom 01.10.2020 ‑ IV R 4/18, BFHE 271, 154, Rz 25, m.w.N.; vom 29.09.2022 ‑ IV R 18/19, BFHE 278, 273, BStBl II 2023, 326, Rz 14; vom 19.01.2023 ‑ IV R 5/19, BFHE 279, 450, BStBl II 2023, 649, Rz 30). Hinsichtlich der Fest­stellung zur Art der Einkünfte ist während ihres Bestehens die Ge­sellschaft (Klägerin) als Prozessstandschafterin gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO vorrangig klagebefugt (BFH-Urteile vom 04.07.2007 ‑ VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53, unter II.1. [Rz 21]; vom 22.11.1994 ‑ VIII R 63/93, BFHE 177, 28, BStBl II 1996, 93, unter I.3. [Rz 13]). Auch einem ausgeschiedenen Gesellschafter steht wegen dieser Feststellung gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO jedoch eine eigene Klagebefugnis zu (BFH-Urteile vom 10.09.2020 ‑ IV R 14/18, BFHE 270, 363, BStBl II 2021, 367, Rz 16; vom 28.10.2008 ‑ VIII R 71/06, juris, unter III.1.b [Rz 25]; vom 04.07.2007 ‑ VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53, unter II.1. [Rz 22]).

b) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO muss eine Beiladung notwendig erfolgen, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die gerichtliche Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Ausgeschiedene Gesellschafter sind im Verfahren über die gesonderte und ein­heitliche Feststellung des Gewinns bei sie betreffenden streitigen Feststellun­gen stets notwendig beizuladen, und zwar auch dann, wenn es um Feststel­lungen geht, für die an sich nur der zur Vertretung berufene Geschäftsführer nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt ist (BFH-Beschluss vom 07.10.2008 ‑ VIII B 9/08, juris, unter II.2. [Rz 11, 12]). Die notwendige Beiladung ist auch dann erforderlich, wenn ein Gesellschafter erst während eines bereits in Gang gesetzten Revisionsverfahrens aus einer Personengesellschaft ausscheidet, die als Prozessstandschafterin Klage gegen einen Feststellungsbescheid erhoben hat (vgl. BFH-Beschluss vom 01.10.2010 ‑ IV R 32/07, BFH/NV 2011, 271, Rz 22, 23). Ist der an sich klagebefugte und beizuladende ausgeschiedene Ge­sellschafter (Mitunternehmer) vor der Beiladung verstorben, sind dessen Erben notwendig beizuladen.

aa) Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung sind im Hinblick auf die hier streitige Feststellung zur Art der Einkünfte für B und A erfüllt. Bei­de sind mit ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft im Jahr 2020 (B) und im Jahr 2021 (A) gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO im Revisionsverfahren klagebe­fugt geworden. Dass während der Mitunternehmerstellung beider Gesellschaf­ter zunächst eine ausschließliche Klagebefugnis der Klägerin gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO bestand und die Klagebefugnis der Klägerin als Prozess­standschafterin bislang mangels Vollbeendigung der Klägerin auch nicht erlo­schen ist, steht der Klagebefugnis von B und A als ausgeschiedene Gesell­schafter und der damit einhergehenden erforderlichen notwendigen Beiladung nicht entgegen (vgl. BFH-Beschluss vom 01.10.2010 ‑ IV R 32/07, BFH/NV 2011, 271, Rz 22, 23).

bb) Für den verstorbenen A sind dessen Erben als Gesamtrechtsnachfolger notwendig beizuladen (vgl. BFH-Beschluss vom 30.01.2004 ‑ IV B 81/02, juris, unter 2. [Rz 32]). Dies gilt selbst dann, wenn der oder die Erben nach dem Erbfall nicht selbst Gesellschafter der Klägerin werden sollten. Die Beiladung ist auch in diesem Fall erforderlich, weil der Rechtsstreit die Zeit bis zum Ein­tritt der Erbfolge betrifft. Da auch die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des A wie dieser selbst durch die angefochtene Feststellung zur Art der Einkünfte für das Streitjahr betroffen sind, kann die Beiladung auch nicht ausnahms­weise unterbleiben (vgl. BFH-Beschluss vom 07.10.2008 ‑ VIII B 9/08, juris, unter II.2. [Rz 13, 14]).

2. Der Senat übt das ihm nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO eingeräumte Ermes­sen dahingehend aus, die erforderlichen notwendigen Beiladungen von B und der (unbekannten) Erben des A nicht selbst vorzunehmen und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Der mit dieser Regelung verbun­dene Zweck der Verfahrensbeschleunigung kann im Streitfall nicht erreicht werden. Die Erben des A sind derzeit unbekannt und können vom Senat auch nicht ermittelt werden. Der Prozessbevollmächtigte hat mitgeteilt, das Testament des A sei trotz des seit dem Tod des A inzwischen vergangenen Zeitraums noch nicht eröffnet worden. Eine Entscheidung im Revisionsverfahren ohne Vornahme der Beiladungen kommt nicht in Betracht, da eine unterbliebene notwendige Beiladung ausgeschiedener klagebefugter Gesellschafter (oder von deren Erben) zu einem Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens füh­ren würde (vgl. BFH-Urteile vom 07.06.2018 ‑ IV R 11/16, BFH/NV 2018, 1156, Rz 18). Vorliegend ist die Zurückverweisung des Streitfalls an das FG auch deshalb zweckmäßig und ermessensgerecht, um B und den unbekann­ten Erben des A die Möglichkeit zu geben, sich zu dem angegriffenen Ge­winnfeststellungsbescheid als Verfahrensbeteiligte (§ 57 Nr. 3 FGO) in tatsäch­licher und rechtlicher Hinsicht äußern zu können.

3. Der Senat ist nicht wegen einer Unterbrechung des Revisionsverfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. § 239 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) an einer Entscheidung gehindert.

Zwar kann ein finanzgerichtliches Verfahren nach diesen Vorschriften auch un­terbrochen sein, wenn ein notwendig Beigeladener als Verfahrensbeteiligter während des Verfahrens verstirbt (BFH-Urteil vom 20.11.2014 ‑ IV R 1/11, BFHE 248, 28, BStBl II 2017, 34, Rz 11; zur unterbleibenden Unterbrechung, wenn die Vollmacht des Prozessbevollmächtigten über den Tod des vertrete­nen Beteiligten hinaus fort gilt s. aber § 155 FGO i.V.m. § 86, § 246 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO). Eine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. § 239 Abs. 1 ZPO setzt bei sinngemäßer Anwendung des Merkmals des "Todes einer Partei" im Rahmen eines finanzgerichtlichen Verfahrens jedoch voraus, dass ein Verfahrensbeteiligter im Sinne des § 57 Nr. 1 bis 3 FGO ver­stirbt. A hatte zum Zeitpunkt seines Todes die Stellung eines notwendig Beige­ladenen nicht inne und war bis zu seinem Tod nicht Verfahrensbeteilig­ter gemäß § 57 Nr. 3 FGO geworden. Ein notwendig Beizuladender erhält die Stellung als Verfahrensbeteiligter gemäß § 57 Nr. 3 FGO erst durch den Beila­dungsbeschluss, der gegenüber A bis zu dessen Tod nicht ergangen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 01.10.2010 ‑ IV R 32/07, BFH/NV 2011, 271, Rz 24).

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat im zweiten Rechtsgang die Beila­dungen der B und der (unbekannten) Erben des A nachzuholen. Aus pro­zessökonomischen Gründen weist der Senat ohne Bindungswirkung gemäß § 126 Abs. 5 FGO zu dem Streitpunkt, ob die Beigeladene im Streitjahr Mitun­ternehmerin der Klägerin ist und ob die Voraussetzungen für eine Erzielung von Einkünften aus selbständiger Arbeit auf Ebene der Klägerin im Streitjahr erfüllt sind, auf Folgendes hin.

a) Die Beigeladene kann im Streitjahr Mitunternehmerin der Klägerin (und Feststellungsbeteiligte) sein, wenn sie ein schwach ausgeprägtes Mitunter­nehmerrisiko getragen hat, welches durch besonders stark ausgeprägte Mitun­ternehmerinitiativrechte kompensiert worden ist. Es erscheint aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG als naheliegend, dass die hier­für erforderlichen Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist nicht jeder zivilrechtliche Ge­sellschafter einer Personengesellschaft auch Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dies ist er nur dann, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen (oder einer wirtschaft­lich vergleichbaren) Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt (BFH-Urteile vom 10.10.2012 ‑ VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79; vom 03.11.2015 ‑ VIII R 63/13, BFHE 252, 294, BStBl II 2016, 383; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 ‑ GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Die Kriterien für die Annahme einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft unterscheiden sich dabei grund­sätzlich nicht von denen einer gewerblichen Mitunternehmerschaft (§ 18 Abs. 4 Satz 2 EStG, s. z.B. BFH-Urteile vom 10.10.2012 ‑ VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79; vom 08.04.2008 ‑ VIII R 73/05, BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681, m.w.N.). Die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein (z.B. BFH-Urteil vom 10.10.2012 ‑ VIII R 42/10 BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79). Allerdings müssen beide Merkmale vorliegen. Bei Abweichungen von der Regelausprägung kann ein stark ausgeprägtes Initiativ­recht ein schwach ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko ausgleichen. Ob beide Merkmale vorliegen und ob gegebenenfalls eine solche Kompensation eines schwächer ausgeprägten Merkmals vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmen­den Umstände zu würdigen. Die für die Entscheidung über die Mitunterneh­merstellung erforderliche Gesamtwürdigung obliegt in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz. Sie ist revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar (BFH-Urteile vom 10.10.2012 ‑ VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79; vom 25.04.2006 ‑ VIII R 74/03, BFHE 213, 358, BStBl II 2006, 595; vom 17.05.2006 ‑ VIII R 21/04, BFH/NV 2006, 1839, jeweils m.w.N.).

bb) Wie der BFH mehrfach entschieden hat, trägt der persönlich haftende Ge­sellschafter (Komplementär) in einer kapitalistisch organisierten KG wegen seines Haftungsrisikos ein Mitunternehmerrisiko und zwar selbst dann, wenn ihm kein Gewinnanteil und kein Anteil am Kapital der Gesellschaft (einschließ­lich einer Beteiligung an den stillen Reserven) zusteht und er im Innenverhält­nis von der Haftung freigestellt wird. Ist neben einer (vermögenslosen) Kom­plementär-GmbH eine natürliche Person weiterer Komplementär und ist des­halb bei wirtschaftlicher Betrachtung die vorrangige Inanspruchnahme dieses Komplementärs durch Gläubiger der Klägerin wahrscheinlich, spricht dieses faktisch reduzierte Risiko der Inanspruchnahme im Außenver­hältnis ebenfalls nicht gegen das Tragen von Mitunternehmerrisiko der Komplementär-GmbH. Es genügt, dass sich aus der Sicht der Komplementär-GmbH eine In­anspruchnahme im Außenverhältnis abstrakt weder ganz noch teilweise aus­schließen lässt (BFH-Urteile vom 11.06.1985 ‑ VIII R 252/80, BFHE 144, 357, BStBl II 1987, 33, unter 2.b [Rz 16]; vom 10.10.2012 ‑ VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79, Rz 25, 26).

cc) Hat die fehlende Beteiligung am Gewinn und Verlust des Unternehmens bei einer Komplementär-GmbH zur Folge, dass sich das Unternehmerrisiko auf eine unbeschränkte Haftung für die Schulden der KG begrenzt und damit die Regelanforderungen an das Vorliegen mitunternehmerischen Risikos nicht er­füllt werden, kann und muss das schwach ausgeprägte Mitunternehmerrisiko durch eine besondere Ausprägung der Mitunternehmerinitiativrechte kompensiert werden (BFH-Urteile vom 25.04.2006 ‑ VIII R 74/03, BFHE 213, 358, BStBl II 2006, 595, unter II.2.a [Rz 22]; vom 01.07.2010 ‑ IV R 100/06, BFH/NV 2010, 2056; vom 22.08.2002 ‑ IV R 6/01, BFH/NV 2003, 36, m.w.N.; vom 11.12.1990 ‑ VIII R 122/86, BFHE 163, 346). Zu den Anforderungen an aus­reichend stark ausgeprägte (kompensierende) Mitunternehmerinitiativ­rechte einer Komplementär-GmbH hat der BFH unter anderem die folgenden Grund­sätze aufgestellt.

aaa) Für eine Komplementär-GmbH, die alleinige Vollhafterin einer KG ist und nicht am Gewinn, Verlust und den stillen Reserven beteiligt ist, hat der Senat im BFH-Urteil vom 10.10.2012 ‑ VIII R 42/10 (BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79) das Vorliegen ausreichend ausgeprägter Mitunternehmerinitiativrechte be­jaht, wenn die Komplementär-GmbH die Kontroll‑, Widerspruchs- und Infor­mationsrechte ausüben kann, die einem Kommanditisten nach dem Handels­gesetzbuch (HGB) zustehen (vgl. §§ 161 Abs. 2, 118, 164, 166 HGB, dazu BFH-Urteil vom 11.10.1988 ‑ VIII R 328/83, BFHE 155, 514, BStBl II 1989, 762, unter 1. [Rz 18]) und sie im Außenverhältnis vertretungsbefugt ist. Dies gilt selbst dann, wenn eine solche Komplementär-GmbH von der Geschäftsfüh­rung ausgeschlossen ist und über kein Stimmrecht in der Gesellschafterver­sammlung der KG verfügt (BFH-Urteile vom 10.10.2012 ‑ VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79; vom 08.04.2008 ‑ VIII R 73/05, BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681, unter II.2.d [Rz 36]; auch BFH-Urteil vom 01.08.1996 ‑ VIII R 12/94, BFHE 181, 423, BStBl II 1997, 272, unter II.2.d [Rz 46]; zustimmend Kempermann, Finanz-Rundschau 2013, 284, 285; Dötsch, juris Praxisreport-Steuerrecht 5/2013 Anm. 1; kritisch Karl, GmbH-Rundschau 2013, 163, 163: problematisches Sonderrecht für die Mitunternehmerstellung einer Komple­mentär-GmbH).

bbb) Haften mehrere Gesellschafter als Komplementäre persönlich unbe­schränkt für die Schulden einer KG, so liegen besonders stark ausgeprägte (kompensierende) Mitunternehmerinitiativrechte der Komplementär-GmbH vor, wenn ihr eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis und Einzelvertretungs­macht eingeräumt wird (vgl. BFH-Urteil vom 25.04.2006 ‑ VIII R 74/03, BFHE 213, 358, BStBl II 2006, 595, unter II.2.a [Rz 22]). Ebenso genügt es für aus­reichend ausgeprägte besondere Mitunternehmerinitiativrechte, wenn einem einzelnen Komplementär eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis und ein Wider­spruchsrecht gegen Geschäftsführungsmaßnahmen des anderen unbeschränkt haftenden und vertretungsberechtigten Gesellschafters (§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 114, § 115 HGB) zustehen (vgl. BFH-Urteile vom 25.04.2006 ‑ VIII R 74/03, BFHE 213, 358, BStBl II 2006, 595, unter II.2.a und II.3. [Rz 22, 25] mit Verweis auf BFH-Urteil vom 16.12.2003 ‑ VIII R 6/93, BFH/NV 2004, 1080, unter 2.e bb [Rz 31, 32]; vom 09.02.1999 ‑ VIII R 43/98, BFH/NV 1999, 1196, unter 1.a bis 1.a cc [Rz 15 bis 18]; zum Widerspruchsrecht s. § 161 Abs. 2, § 114 Abs. 1, § 115 Abs. 1 HGB, dazu Gummert in Gummert/Weipert, MünchHdb. GesellR II, 5. Aufl., § 52 Rz 1).

b) Wäre die Beigeladene nach diesen Vorgaben Mitunternehmerin der Kläge­rin, wären die Voraussetzungen für eine Erzielung und Feststellung von Ein­künften aus selbständiger Arbeit nicht erfüllt.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH entfaltet eine Personengesell­schaft nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freibe­ruflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von natürlichen Personen erfüllt werden. Das Handeln der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit und damit das Handeln der Gesellschaft darf kein Element einer nicht freiberuflichen Tätigkeit enthalten. Das bedeutet, dass jeder Gesellschafter als Steuerpflichtiger die Hauptmerkmale des freien Berufs in eigener Person positiv erfüllen muss; er muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Aus­übung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich auch entfalten. Erfüllt auch nur einer der Gesellschafter diese Voraussetzungen nicht, so erzielen alle Gesell­schafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der schädlichen Beteiligung eines Berufsfremden gleichgestellt ist die mitun­ternehmerische Beteiligung einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesell­schaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, da diese gemäß § 8 Abs. 2 KStG keine freiberuflichen Einkünfte beziehen kann, selbst wenn sie durch ihre Or­gane, insbesondere durch ihre Geschäftsführer, der Art nach ausschließlich freiberuflich tätig ist und sowohl diese als auch sämtliche Gesellschafter die persönliche Qualifikation für eine freiberufliche Tätigkeit besitzen. Zur Vermei­dung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf seine Begründung in den Senatsurteilen vom 08.04.2008 ‑ VIII R 73/05, (BFHE 221, 238, BStBl II 2008, 681) und vom 10.10.2012 ‑ VIII R 42/10 (BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79, jeweils m.w.N.) Bezug.

bb) Die zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 1 und § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 EStG und auch im Verlustfall für die sogenannte Seitwärtsabfär­bung von der BFH-Rechtsprechung entwickelte absolute und relative Bagatell­grenze (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2022 ‑ IV R 42/19, BFHE 278, 42, BStBl II 2023, 118, m.w.N.) ist im Fall des Erzielens auch geringfügiger gewerblicher Einkünfte wegen eines berufsfremden Mitunternehmers nicht anwendbar. Denn in diesem Fall ist der Tatbestand des § 18 EStG nicht erfüllt, sodass eine Abweichung vom Grundtatbestand des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG wegen des Erzielens freiberuflicher Einkünfte nicht in Betracht kommt (BFH-Urteile vom 10.10.2012 ‑ VIII R 42/10, BFHE 238, 444, BStBl II 2013, 79, Rz 30; vom 04.08.2020 ‑ VIII R 24/17, BFHE 270, 310, BStBl II 2021, 81, Rz 22).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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