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BFH: Anwendung des 90 %-Einstiegstests bei Handelsunternehmen

§ 13b Abs. 2 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) ist dahingehend auszulegen, dass bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG besteht und nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes dient, für den dort ver­ankerten sogenannten 90 %-Einstiegstest die betrieblich veranlassten Schul­den von den Finanzmitteln in Abzug zu bringen sind.

ErbStG § 13a Abs. 1 und 2, § 13b Abs. 2 Satz 2, § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 und 4
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

BFH-Urteil vom 13.9.2023, II R 49/21 (veröffentlicht am 14.12.2023)

Vorinstanz: FG Münster vom 24.11.2021, 3 K 2174/19 Erb = SIS 22 01 35

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb von ihrem Vater durch notariell beurkundeten Vertrag vom 07.03.2017 schenkweise alle Anteile an der GmbH, einem pharmazeutischen Handelsun­ternehmen mit Tätigkeit in Vertrieb und Forschung.

Das zuständige Finanzamt stellte mit Bescheid vom 19.04.2018 gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) den Wert des Anteils der GmbH mit 555.975 € und gemäß § 13b Abs. 10 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) die Summen der gemeinen Werte der Fi­nanzmittel mit 2.517.649 €, der jungen Finanzmittel mit 60.000 €, des Ver­waltungsvermögens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG und des jungen Ver­waltungsvermögens jeweils mit 0 € sowie der Schulden mit 3.138.504 € für Zwecke der Schenkungsteuer auf den Bewertungsstichtag 07.03.2017 geson­dert und einheitlich fest. Weitere Feststellungen traf es zu der Anzahl der Be­schäftigten mit 21 Personen und der Ausgangslohnsumme mit 984.330 €. Nachrichtlich wurde vermerkt, dass der Hauptzweck des Unternehmens eine Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Einkom­mensteuergesetzes (EStG) sei.

Mit Bescheid vom 25.10.2018 setzte der Beklagte und Revisionskläger (Fi­nanzamt ‑‑FA‑‑) Schenkungsteuer in Höhe von 51.675 € fest. Dabei ging das FA von einem Wert des Erwerbs in Höhe von 544.598 € (Wert des festgestell­ten Anteils in Höhe von 555.975 € abzüglich Kosten und Gebühren von insge­samt 11.377 €) zuzüglich einer Vorschenkung in Höhe von 200.000 € aus und brachte einen Freibetrag in Höhe von 400.000 € in Abzug. In den Erläuterun­gen zum Bescheid wurde angeführt, dass nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG (sogenannter 90 %-Einstiegstest) eine Begünstigung nach § 13a ErbStG nicht gewährt werden könne.

Mit ihrem dagegen eingelegten Einspruch beantragte die Klägerin die Gewäh­rung der Regelverschonung für Betriebsvermögen. Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 09.07.2019 als unbegründet zurück.

Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte Erfolg. Der schenkweise Erwerb der GmbH-Anteile bleibe als begünstigtes Vermögen nach § 13a Abs. 1 ErbStG zu 85 % steuerfrei und nach § 13a Abs. 2 ErbStG außer Ansatz. Der 90 %-Ein­stiegstest nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG stehe der Begünstigung des über­tragenen Vermögens nicht entgegen. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG sei nach sei­nem Normzweck im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend ein­schränkend auszulegen, dass der 90 %-Einstiegstest in den Fällen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG dann nicht zur Anwendung komme, wenn die betreffende Kapitalgesellschaft ‑‑wie im Streitfall‑‑ ihrem Hauptzweck nach einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG diene. Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Fi­nanzgerichte 2022, 343.

Während des Revisionsverfahrens erließ das zuständige Finanzamt als Ergeb­nis einer Verständigung in der Außenprüfung am 13.01.2023 einen geänderten Feststellungsbescheid. Darin wurden der Wert des Anteils an der GmbH nun­mehr mit 1.250.000 €, die Summen der gemeinen Werte der Finanzmittel mit 2.517.649 €, der jungen Finanzmittel mit 60.000 €, des Verwaltungs­ver­mö­gens nach § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG und des jungen Verwaltungs­vermö­gens mit 0 €, der gemeinen Werte der Schulden mit 3.138.504 €, sowie die An­zahl der Beschäftigten mit 21 Personen und die Ausgangslohnsumme mit 984.330 € festgestellt. Als nachrichtliche Angabe enthielt der Bescheid wiede­rum den Vermerk, dass der Hauptzweck des Unternehmens eine Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG sei.

Während des Revisionsverfahrens erging am 20.04.2023 in Umsetzung des Feststellungsbescheids vom 13.01.2023 ein geänderter Schenkungsteuerbe­scheid. Das FA setzte nunmehr Schenkungsteuer in Höhe von 197.334 € fest, wobei es von einem Wert des Erwerbs in Höhe von 1.238.623 € (festgestellter Wert des Anteils in Höhe von 1.250.000 € abzüglich Kosten und Gebühren von insgesamt 11.377 €) zuzüglich einer Vorschenkung in Höhe von 200.000 € ausging und einen Freibetrag in Höhe von 400.000 € in Abzug brachte.

Mit seiner Revision macht das FA eine Verletzung von § 13b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 ErbStG geltend. Die Auslegung der Vorschriften durch das FG führe zu einer durch den Gesetzgeber nicht gewollten Begünstigung. Sie hätte zur Folge, dass auch Gesellschaften mit geringfügiger gewerblicher Tätigkeit die Begünstigung nach § 13a ErbStG erhielten. Die Nichtanwendung des 90 %-Ein­stiegstests, wenn die Gesellschaft auch eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübe, verstoße gegen den Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG. Eine te­leologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Vorschrift, veranlasst durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), komme nicht in Betracht, da der Regelung eine rechtspolitische Ent­scheidung des Gesetzgebers zugrunde liege. Dieser habe mit der Neufassung der §§ 13a, 13b ErbStG durch das Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungs­gerichts vom 04.11.2016 (BGBl I 2016, 2464) bewusst keine Hauptzweckbe­trachtung eingeführt, sondern sich für eine Beibehaltung des Verwaltungsver­mögenskatalogs mit all seinen Folgen entschieden. Der Gesetzgeber habe in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG den Umfang des Verwaltungsvermögens klar defi­niert und damit auch festgelegt, von welchen Werten für die Anwendung des 90 %-Einstiegstests auszugehen sei. Dies folge auch aus einem Umkehr­schluss zu § 13b Abs. 3 ErbStG. Diese Regelung nehme Altersversorgungsver­pflichtungen und zu deren Erfüllung angeschaffte Vermögensgegenstände aus dem Verwaltungsvermögenskatalog aus. Folglich entspreche es der gesetzge­berischen Intention, keine weiteren Vermögenspositionen von der Regelung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG auszuklammern.

Der Gesetzgeber habe mit § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG eine besondere Miss­brauchsvermeidungsvorschrift geschaffen. Eine steuerliche Begünstigung solle vollständig ausgeschlossen sein, wenn das Vermögen eines Betriebs oder einer Gesellschaft zu 90 % aus Verwaltungsvermögen bestehe. Unerheblich sei, ob tatsächlich ein Missbrauch vorliege. Eine missbräuchliche Gestaltung sei nicht als Tatbestandsmerkmal in die Ausgestaltung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG aufgenommen worden.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen ist mit Schriftsatz vom 14.04.2022 dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Es stellt keinen Antrag.

II. Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vor­entscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensge­genstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 FGO). An die Stelle des Schenkungsteuerbescheids vom 25.10.2018, der Gegenstand der Vorentscheidung war, ist während des Revisi­onsverfahrens der Schenkungsteuerbescheid vom 20.04.2023 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfah­rens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzu­heben. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund des Änderungsbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten nichts geändert hat. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die Ent­scheidung des Bundesfinanzhofs (BFH); sie fallen durch die Aufhebung des fi­nanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an ei­nem Verfahrensmangel leidet (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2018 ‑ II R 63/15, BFHE 266, 133, BStBl II 2021, 184, Rz 10).

III. Im Revisionsverfahren hat die Klage erneut Erfolg. Der Bescheid vom 20.04.2023 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Er wird antragsgemäß dahingehend geändert, dass die Schenkungsteuer auf 0 € festgesetzt wird. Bei den GmbH-Anteilen handelt es sich um begünstigtes Vermögen, das mit Ausnahme der jungen Finanzmittel dem Verschonungsabschlag im Sinne des § 13a Abs. 1 ErbStG unterliegt und auf das der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG anwendbar ist. Der Be­günstigung steht der 90 %-Einstiegstest im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG nicht entgegen, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

1. Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG bleibt begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 ErbStG grundsätzlich zu 85 % steuerfrei (Verschonungsab­schlag), wenn der Erwerb begünstigten Vermögens im Sinne des § 13b Abs. 2 ErbStG zuzüglich der Erwerbe im Sinne des § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG insge­samt 26 Mio. € nicht übersteigt. Gemäß § 13a Abs. 2 Satz 1 ErbStG bleibt der nach Anwendung von § 13a Abs. 1 ErbStG verbleibende Teil des begünstigten Vermögens außer Ansatz, soweit der Wert dieses Vermögens insgesamt 150.000 € nicht übersteigt (Abzugsbetrag). Nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist das begünstigungsfähige Vermögen jedoch nur begünstigt, soweit sein ge­meiner Wert den um das unschädliche Verwaltungsvermögen im Sinne des Ab­satzes 7 gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens im Sinne des Absat­zes 6 übersteigt (begünstigtes Vermögen). Dies gilt nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG jedoch nicht, wenn das Verwaltungsvermögen nach Absatz 4 vor der Anwendung des Absatzes 3 Satz 1, soweit das Verwaltungsvermögen nicht ausschließlich und dauerhaft der Erfüllung von Schulden aus durch Treuhand­verhältnisse abgesicherten Altersversorgungsverpflichtungen dient und dem Zugriff aller übrigen nicht aus diesen Altersversorgungsverpflichtungen unmit­telbar berechtigten Gläubiger entzogen ist, sowie der Schuldenverrechnung und des Freibetrags nach Absatz 4 Nummer 5 sowie der Absätze 6 und 7 min­destens 90 % des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens be­trägt.

2. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist dahingehend auszulegen, dass bei Handels­unternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG besteht und deren Hauptzweck einer Tä­tigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 EStG dient, für den dort verankerten 90 %-Einstiegstest die betrieblich veranlassten Schulden von den Finanzmit­teln in Abzug zu bringen sind. Dies ist aus systematischen und verfassungs­rechtlichen Gründen geboten und widerspricht auch nicht dem Anliegen/Ziel des Gesetzgebers, durch den 90 %-Einstiegstest den Missbrauch der Be­günsti­gung von Betriebsvermögen nach § 13a ErbStG zu verhindern.

a) Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Aus­druck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Der Feststellung des zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), dem Zusammenhang (systematische Auslegung), ihrem Zweck (teleologi­sche Auslegung) sowie den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsge­schichte (historische Auslegung); zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und neben­ein­ander bedienen. Insbesondere bei der Auslegung einer Norm aus ih­rem Wort­laut ist zu berücksichtigen, dass diese nur eine von mehreren aner­kannten Auslegungsmethoden ist, zu denen ‑‑wie ausgeführt‑‑ auch die syste­matische Auslegung zählt. Nach letzterer ist darauf abzustellen, dass einzelne Rechtssätze, die der Gesetzgeber in einen sachlichen Zusammenhang gebracht hat, grundsätzlich so zu interpretieren sind, dass sie logisch miteinander vereinbar sind. Ziel jeder Auslegung ist die Feststellung des Inhalts einer Norm, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hinein­gestellt ist (BFH-Urteil vom 18.12.2014 ‑ IV R 22/12, BFHE 248, 354, BStBl II 2015, 606, Rz 24).

b) § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG trifft die Entscheidung, ob nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG grundsätzlich begünstigungsfähiges Vermögen vollständig nicht begünstigt ist, durch eine Berechnung im Rahmen einer mathemati­schen For­mel mit Zähler und Nenner. Der Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG muss wohl dahingehend verstanden werden, dass er als maß­geblichen Zähler das Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 4 ErbStG unter anderem "vor" der Schuldenverrechnung und des 15%igen Freibetrags nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG festlegt (Stalleiken in von Oertzen/Loose, Erb­schaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 2. Aufl., § 13b Rz 87; Kirnberger in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 13b ErbStG Rz 53, Stand 11/2022; Wachter in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 8. Aufl., § 13b Rz 285; ebenso R E 13b.10 Satz 3 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2019 vom 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernummer 1/2019 ‑‑ErbStR 2019‑‑). Die Bedeutung des Wortes "vor" ist bei der ersten Lektüre zwar nicht zweifelsfrei (Kirnberger in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 13b ErbStG Rz 53, Stand 11/2022; Stalleiken in von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 2. Aufl., § 13b Rz 87; Wachter in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 8. Aufl., § 13b Rz 273). Für eine einfa­chere Lesart wäre es daher deutlicher gewesen, wäre das Wort "vor" zu­sätzlich im zweiten Teil des Hauptsatzes dem Wort "sowie" nach- und dem Wort "Schuldenverrechnung" vorangestellt worden, sodass der Beginn des zweiten Teils des Hauptsatzes gelautet hätte "…, sowie vor der Schuldenver­rechnung und des Freibetrags …". Ohne die Voranstellung des Wortes "vor" ist dem zweiten Hauptsatz aber kein Sinn zu entnehmen, sodass es dort mit hin­einzulesen ist.

aa) Für den Zähler der mathematischen Berechnungsformel in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ergibt sich nach diesem Verständnis des Wortsinns, dass ein spezifisches Verwaltungsvermögen zu berechnen ist, das einen Bruttobetrag ohne Schuldenabzug darstellt. Heranzuziehen ist die Summe aus dem festge­stellten Wert des Verwaltungsvermögens einschließlich des jungen Verwal­tungsvermögens und dem festgestellten Wert der Finanzmittel einschließlich der jungen Finanzmittel (vgl. § 13b Abs. 10 Satz 1 ErbStG). Die Schuldenver­rechnung bei den Finanzmitteln, der 15%ige Sockelbetrag beim Finanzmittel­test (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG), die quotale Schuldenverrechnung mit dem Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 6 ErbStG) und die Regelung, nach der 10 % des Verwaltungsvermögens als unschädlich anzusehen sind (§ 13b Abs. 7 Satz 1 ErbStG), bleiben unberücksichtigt. Bei Verwaltungsvermögen, das der Sicherung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen dient, werden Schulden insoweit in Abzug gebracht, als die Verpflichtungen durch Treuhandverhältnisse abgesichert sind (vgl. auch R E 13b.10 ErbStR 2019). Bei dem Zähler der Berechnungsformel handelt es sich daher um eine Brutto­größe.

bb) Den Nenner des Bruchs bildet der festgestellte (vgl. § 13b Abs. 10 ErbStG) gemeine Wert (§ 109 Abs. 2 BewG) des gesamten begünstigungsfähigen Ver­mögens. Der gemeine Wert wird unter Heranziehung von § 11 Abs. 2 BewG bestimmt. Hierbei ist die Summe der Einzelteile des Betriebsvermögens nicht identisch mit dem gemeinen Wert des Betriebs. Denn im Rahmen der Berech­nung des gemeinen Werts werden Schulden disquotal berücksichtigt (vgl. Kirnberger in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 13b ErbStG Rz 54.1, Stand 11/2022; vgl. auch Korezkij, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2017, 745, 748 f.). Der Nenner der Berechnungsformel stellt daher eine Nettogröße dar.

cc) Für die Ermittlung des übermäßigen Verwaltungsvermögens, wie es die Fi­nanzverwaltung bezeichnet (vgl. R E 13b.10 ErbStR 2019), wird somit ein Bruttowert (spezifisch berechnetes Verwaltungsvermögen im Zähler) zu einem Nettowert (gemeiner Wert des Betriebsvermögens; Unternehmenswert im Nenner) ins Verhältnis gesetzt (vgl. auch Wachter in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 8. Aufl., § 13b Rz 286).

c) Die wortlautgetreue Anwendung dieser in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ver­ankerten Berechnungsformel führt also dazu, dass grundsätzlich begünsti­gungsfähiges Betriebsvermögen von Handelsunternehmen, deren Hauptzweck in einer gewerblichen Tätigkeit besteht und die am Tag der Entstehung der Steuer zur Aufrechterhaltung ihrer unternehmerischen Tätigkeit über einen ho­hen Bestand an Finanzmitteln ‑‑insbesondere Forderungen aus Lieferungen und Leistungen‑‑ verfügen, wegen der Fallbeilwirkung der Regelung in vollem Umfang von der erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Begünstigung ausgeschlossen ist. Gleichzeitig und dazu widersprüchlich könnte das Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 4 ErbStG solcher Handelsunternehmen deutlich niedriger --gegebenenfalls sogar mit 0 €-- festzustellen sein, weil die grundsätzlich als steuerschädliches Verwaltungsvermögen einzu-stufenden betriebsnotwendigen Finanzmittel, nach Abzug des üblicherweise bei solchen Han-delsunternehmen ebenfalls hohen Bestands an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistun-gen, regelmäßig weniger als 15 % des anzusetzenden Betriebsvermögens betragen, sie mithin keine steuerschädlichen Finanzmittel darstellen und damit im Ergebnis nicht als steuerschädli-ches Verwaltungsvermögen zu berücksichtigen sind und auch darüber hinaus kein steuerschädli-ches Verwaltungsvermögen gegeben ist (vgl. Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteu-er- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 7. Aufl., § 13b ErbStG Rz 171; Korezkij, DStR 2017, 745).

d) Die neben dem Wortsinn zu berücksichtigenden Methoden zur Auslegung ei­ner Norm aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie den Gesetzesmaterialien und der Entste­hungsgeschichte (historische Auslegung) gebieten eine den Wortlaut eingren­zende Auslegung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG dahingehend, dass zu­min­dest bei typischen Handelsunternehmen für den 90 %-Ein­stiegstest die be­trieblich veranlassten Schulden von den Finanzmitteln im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG in Abzug zu bringen sind.

aa) Was der Gesetzgeber als steuerschädliches Verwaltungsvermögen ansieht, hat er in der seit dem 01.07.2016 geltenden Fassung der §§ 13a, 13b ErbStG in dem enumerativen Verwaltungsvermögenskatalog des § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 5 ErbStG geregelt (vgl. BTDrucks 18/8911, S. 41; vgl. auch BFH-Urteil vom 16.03.2021 ‑ II R 3/19, BFHE 272, 508, BStBl II 2022, 706, Rz 34, zu § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5 ErbStG a.F.). Nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG stellen auch Finanzmittel steuerschädliches Verwaltungsvermögen dar, soweit sie 15 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens der Gesellschaft übersteigen. Von den Finanzmitteln ist jedoch nach Satz 1 der Vorschrift der gemeine Wert der betrieblichen Schulden abzuziehen. Es ist daher nach dieser Vorschrift eine Nettogröße zu bilden, sodass Maßstab für die Steuerschädlich­keit der Finanzmittel nicht deren Bestand als solcher, sondern lediglich deren Höhe nach der Verrechnung mit betrieblichen Schulden ist. Die Anwendung des Freibetrags in § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG setzt zudem voraus, dass das be­günstigungsfähige Vermögen der Gesellschaft nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG dient (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 4 ErbStG). Andernfalls stellen die Finanzmittel stets unproduktives Verwaltungsvermögen dar (vgl. nachfolgend unter III.2.d cc (1)). Dadurch sollen bereits dem Grunde nach Ge­sellschaften von der Begünstigung ausgeschlossen werden, die nicht oder nur geringfügig gewerblich tätig sind, unabhängig von der Höhe ihrer Finanzmittel nach Schuldenverrechnung. Der Gesetzgeber hatte dabei insbesondere die so­genannten Cash-Gesellschaften vor Augen, die nur aus Finanzmitteln bestehen und lediglich gegründet werden, um die erbschaft- und schenkungsteuerrecht­liche Begünstigung zu erhalten.

bb) Der Senat hält es danach bei einer systematischen Auslegung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG für geboten, dass bei dem 90 %-Einstiegstest bei Finanz­mitteln entsprechend der Regelung des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG der ge­mei­ne Wert der betrieblich veranlassten Schulden abgezogen wird. Diese er­wei­tern­de Auslegung ist dadurch zu begrenzen, dass das begünstigungsfähige Vermögen nach seinem Hauptzweck einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dient. Zwar wurde der "Hauptzweckansatz" ent­gegen dem Regierungsentwurf (vgl. BTDrucks 18/5923, S. 12) nach der Stel­lungnahme des Bundesrats nicht wörtlich in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG wie­dergegeben (vgl. BRDrucks 353/15, S. 18). § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG nimmt jedoch die Gesetzessystematik des § 13b Abs. 4 ErbStG auf, indem er in sei­nem ersten Nebensatz auf diese Vorschrift verweist. Es ist deshalb erforder­lich, den Hauptzweckansatz des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG auch im Rahmen des 90 %-Einstiegstests heranzuziehen, um zu verhindern, dass Erwerber von Cash-Gesellschaften Steuerbegünstigungen erhalten, die nur für originär be­triebliche Tätigkeiten vorgesehen sind. Mit der Anwendung des "Hauptzweck­ansatzes" im Rahmen des § 13b Abs. 2 ErbStG ist für die Finanzverwaltung kein administrativer Mehraufwand verbunden. Bei der Ermittlung der steuer­schädlichen Finanzmittel nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG muss sie ohnehin den Hauptzweck der gesellschaftlichen Tätigkeit prüfen.

cc) Dieser Auslegung steht der von der Finanzverwaltung in der Revisionsbe­gründung hervorgehobene Missbrauchsgedanke nicht entgegen.

(1) Bei § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG handelt es sich um eine besondere Miss­brauchsvermeidungsvorschrift (vgl. Wachter in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 8. Aufl., § 13b Rz 278 und Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz, Erb­schaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 7. Aufl., § 13b ErbStG Rz 171). Als unproduktives Verwaltungsvermögen ist bei originär ge­werblich Tätigen solches Vermögen anzusehen, das der Betrieb zu seiner Fort­führung nicht notwendigerweise benötigt, das also hinweggedacht werden kann, ohne dass die Fortführung des Betriebs gefährdet ist.

(2) Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass Handelsunternehmen, deren Be­triebsvermögen im Hauptzweck einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dient, am für die Einordnung von Wirtschaftsgütern als Verwaltungsvermögen maßgebenden Stichtag der Entstehung der Steuer aus ihrer originären Geschäftstätigkeit einen hohen Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen haben können, der tagesbezogen variiert und von der Zahlungsmoral der Geschäftspartner abhängt. Bei solchen Unterneh­men würde es dem Gesetzeszweck der Begünstigung von produktivem Vermö­gen nicht gerecht, würde man für den 90 %-Einstiegstest diese Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, die unstreitig Finanzmittel nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ErbStG darstellen, isoliert ohne die Schuldenverrechnung heran­ziehen. Zumindest in einem solchen Fall ist das unproduktive Vermögen stets gemäß § 13b Abs. 5 Satz 1 ErbStG als Differenz zwischen den Finanzmitteln und den betrieblichen Schulden anzusehen. Denn die betrieblichen Schul­den dienen dazu, produktives Vermögen zu erwerben und so die Fortführung des Betriebs sicherzustellen.

(3) Auch bei dieser vom Senat vorgenommenen Auslegung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist es weiterhin ausgeschlossen, dass kleine Unternehmen, die mit einem hohen (Netto‑)Bestand an Finanzmitteln im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG ausgestattet sind, aufgrund des 90 %-Einstiegstests in den Ge­nuss der Steuerbegünstigung kommen.

(4) Sollte die vorgenommene Auslegung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG im Einzelfall dazu führen, dass sich Unternehmen, die der Gesetzgeber aufgrund ihrer hohen Verwaltungsvermögensquote von mindestens 90 % steuerrechtlich nicht begünstigen wollte, aufgrund missbräuchlicher Gestaltung die Be­günsti­gung erschleichen, ist die Anwendung von § 42 der Abgabenordnung nicht ausgeschlossen (vgl. Urteil des Bundesverfassungsge­richts ‑‑BVerfG‑‑ vom 17.12.2014 ‑ 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, Rz 255).

dd) Der vom Senat vorgenommenen Auslegung steht auch der aus den Geset­zesmaterialien erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht entgegen. Den Geset­zesmaterialien ist nicht eindeutig zu entnehmen, dass bei dem 90 %-Ein­stiegstest nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG Finanzmittel im Sinne des § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG ohne Abzug der betrieblich veranlassten Schulden zu be­rücksichtigen sind.

(1) Nach den Gesetzesmaterialien sollte durch § 13b Abs. 2 ErbStG ‑‑den Vor­gaben des BVerfG in seinem Urteil vom 17.12.2014 ‑ 1 BvL 21/12 (BVerfGE 138, 136) folgend‑‑ von der bis dato in § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. veran­kerten typisierenden Verwaltungsvermögensgrenze in Höhe von 50 % zur Be­stimmung des Anteils des nicht begünstigten Vermögens, die die Möglichkeit von sogenannten Kaskadengestaltungen ‑‑das heißt die mehrfache Aus­nut­zung der 50 %-Grenze‑‑ eröffnete, auf den um das unschädliche Verwal­tungs­vermö­gen (§ 13b Abs. 7 ErbStG) gekürzten Nettowert des Verwaltungs­ver­mö­gens umgestellt werden. Schulden sollten wie nach altem Recht im Rahmen des Fi­nanzmitteltests (§ 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG) saldiert werden und darüber hin­aus quotal zu berücksichtigen sein. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG sollte sol­ches begünstigungsfähiges Vermögen von der Verschonung ausnehmen, das na­hezu ausschließlich aus Verwaltungsvermögen besteht. Denn in einem sol­chen Fall sei davon auszugehen, dass das gesamte betriebliche Vermögen nicht schutzwürdig sei. Dadurch, dass Gesellschaften mit einer Verwaltungs­vermö­gensquote von mehr als 90 % von der Verschonung ausgenommen seien, würden Gestaltungsmöglichkeiten ausgeräumt, die nach dem BVerfG-Urteil vom 17.12.2014 ‑ 1 BvL 21/12 (BVerfGE 138, 136) verfassungswidrig sein könnten. Wären Gesellschaften mit einem ganz überwiegenden Teil an Verwal­tungsvermögen begünstigt, könnten mittels einer geringfügigen land- und forstwirtschaftlichen, originär gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit große Werte an Verwaltungsvermögen übertragen werden, für die gegebenen­falls eine Teilverschonung ‑‑wie bei den Finanzmitteln in Höhe von 15 % des ge­meinen Werts des Betriebs‑‑ beansprucht werden könnte. Um diese Ge­stal­tungsmöglichkeiten auszuschließen, werde dem Grunde nach begünsti­gungsfä­higes Vermögen, das zu mindestens 90 % aus Verwaltungsvermögen bestehe, wieder aus der Verschonung ausgenommen (s. Empfehlung der Ausschüsse vom 15.09.2015 in BRDrucks 353/1/15, S. 20 f.; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses vom 22.06.2016, BTDrucks 18/8911, S. 40). Dadurch hat der Gesetzgeber lediglich zum Aus­druck gebracht, dass alle Ge­sellschaften, die über eine Verwaltungs­ver­mö­gens­quote von mindestens 90 % verfügen, erbschaft- und schenkungsteuer­rechtlich nicht begünstigt werden sollen.

(2) In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Finanzausschusses vom 22.06.2016 (BTDrucks 18/8911, S. 40) wird zwar nachfolgend im letzten Ab­satz zu Absatz 2 ausgeführt, dass für den 90 %-Einstiegstest das Verwaltungs­vermögen vor der Verrechnung der Finanzmittel mit den Schulden und der Kürzung um den Freibetrag zugrunde gelegt werden soll. Dabei handelt es sich aber lediglich um die Wiedergabe des späteren Gesetzestexts des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG, wie er kurz vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens formu­liert wurde. Eine Begründung für diese zusätzlichen Vorgaben im Rahmen des 90 %-Einstiegstests lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Die zusätzli­chen Vorgaben stehen vielmehr im Widerspruch zu dem in der Gesetzesbe­gründung ebenfalls genannten Anliegen des Gesetzgebers, die als steuer­schädlich angesehenen Finanzmittel erst nach Schuldenverrechnung von der Verschonung auszunehmen. Den Ausführungen kann deshalb für die Ausle­gung von § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG kein Mehrwert entnommen werden.

ee) Diese Auslegung, die zu einer Einschränkung des 90 %-Einstiegstests im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG führt, ist auch aus verfassungsrechtli­chen Gründen geboten, um dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebot der fol­gerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands zu ge­nügen.

(1) Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weit reichenden Ent­scheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folge­richtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Demge­mäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbe­handlung zu rechtfertigen vermag. Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit Umfang und Ausmaß der Abweichung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 23.06.2015 ‑ 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BVerfGE 139, 285, BStBl II 2015, 871, Rz 72, m.w.N.).

(2) Auch wenn es sich bei den Regelungen des § 13b Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 ErbStG um eine Ausnahme zu der gesetzgeberischen Grundentscheidung han­delt, Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG im Verhältnis zu an­derem Vermögen zu begünstigen, muss sie folgerichtig ausgestaltet sein. Sie darf nicht willkürlich unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG produktive Han-delsunternehmen begünstigen oder von der Begünstigung ausschließen, je nachdem, ob per Zufall am Steuerstichtag betriebliche Schulden --bestehend aus Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen-- durch die vorhandenen Finanzmittel getilgt wurden oder nicht. Die vorgenommene verfassungs­kon­for­me Auslegung, durch die eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG verhindert wird (zur Notwendigkeit, ein grundsätzlich verfassungsmäßiges Gesetz verfas­sungskonform auszulegen BVerfG-Beschluss vom 14.10.2008 ‑ 1 BvR 2310/06, BVerfGE 122, 39), stellt sicher, dass solche Unternehmen, die der Gesetzgeber aus den unter III.2.d cc (2) dargelegten Gründen begünsti­gen wollte, auch tatsächlich be­günstigt werden.

3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Ergebnis zutreffend entschieden, dass im vorliegenden Fall der 90 %-Einstiegstest nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG der Gewährung der steuerrechtlichen Begünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG für den Erwerb der GmbH-Anteile nicht entgegensteht.

a) Bei der Anwendung des 90 %-Einstiegstests nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG sind nach der von dem Senat vorgenommenen Auslegung von der Summe der ge­meinen Werte der Finanzmittel in Höhe von 2.517.649 € zu­züg­lich der Summe der gemei­nen Werte der jungen Finanzmittel in Höhe von 60.000 € die im Feststellungs­bescheid vom 13.01.2023 ebenfalls festgestellten Schulden in Höhe von 3.138.504 € abzuziehen, sodass keine steuerschäd­li­chen Finanz­mit­tel vorlie­gen. Da im Feststellungsbescheid vom 13.01.2023 nachrichtlich ange­geben wurde, dass der Hauptzweck der GmbH eine Tätigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG war, sind die Voraussetzungen für eine einschränkende Aus­legung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG vorliegend erfüllt.

b) Begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG liegt in Höhe von 1.190.000 € vor. Dies setzt sich auf der Grundlage des Feststellungsbescheids vom 13.01.2023 zusammen aus dem Wert der GmbH-Anteile in Höhe von 1.250.000 € abzüglich der jungen Finanzmittel in Höhe von 60.000 €. Letztere sind nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG steuerschädli-ches Verwaltungsvermögen. Die weiteren Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG sind zwischen den Beteiligten unstreitig erfüllt.

c) Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG bleibt das begünstigte Vermögen von 1.190.000 € in Höhe von 85 % ‑‑also 1.011.500 €‑‑ steuerfrei. Es verbleibt ein Teil des restlichen begünstigten Vermögens in Höhe von 178.500 €. Dieser Be­trag übersteigt die Wertgrenze von 150.000 € nach § 13a Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Deshalb verringert sich der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 Satz 2 ErbStG um 50 % des die Wertgrenze von 150.000 € übersteigenden Betrags von 28.500 €, also um 14.250 €. Es verbleibt ein Abzugsbetrag in Höhe von 135.750 €.

d) Der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG wurde für Erwerbe der Kläge­rin seit 2007 noch nicht in Anspruch genommen. Der Wert des Erwerbs der Klägerin setzt sich zusammen aus dem verbleibenden begünstigten Vermögen in Höhe von 178.500 € abzüglich des verminderten Abzugsbetrags in Höhe von 135.750 €, also in Höhe von 42.750 €. Diesem Erwerb von begünstigtem Ver­mögen sind die jungen Finanzmittel in Höhe von 60.000 € hinzuzurechnen, so­dass der Wert des Erwerbs der Klägerin 102.750 € beträgt.

e) Dem Erwerb ist eine Vorschenkung in Höhe von 200.000 € hinzuzufügen. Der Erwerb beträgt 302.750 €. Von diesem Erwerb ist ein Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Höhe von 400.000 € in Abzug zu bringen, sodass der steuerpflichtige Erwerb 0 € beträgt und die Schenkungsteuer auf 0 € festzu­setzen ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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